Ein Rekordplus mit Schattenseiten
Warum Liechtenstein trotz Millionenüberschuss wachsam bleiben muss
Die Landesrechnung 2024 weist ein beeindruckendes Jahresergebnis von 333 Millionen Franken aus, bei einem Budget von nur 37 Millionen. Doch wer nur die Schlagzeilen liest, läuft Gefahr, ein gefährlich verzerrtes Bild zu erhalten. Die Finanzlage des Landes ist solide, aber keineswegs unproblematisch.
Starke Zahlen – schwache Strukturen?
Das operative Ergebnis liegt mit 69 Millionen deutlich über dem budgetierten Defizit von 69 Millionen. Der eigentliche Motor des Erfolgs war jedoch nicht die staatliche Effizienz, sondern externe Faktoren: Ein starkes Finanzergebnis von 264 Millionen (Performance: +7.9 %) und unerwartet hohe Steuereinnahmen trugen dazu entscheidend bei.
Dass die Einnahmen aus der ordentlichen Tätigkeit aber 84 Millionen Franken unter dem Vorjahr liegen, während die Aufwendungen steigen, ist alarmierend. Denn diese Entwicklung lässt auf eine strukturelle Schwäche schliessen.
Wir müssen uns ehrlich fragen: Wie nachhaltig ist eine Finanzpolitik, die von globalen Marktbewegungen abhängig ist? Unsere staatlichen Rücklagen sind hoch – das ist erfreulich. Aber sie dürfen nicht zur Selbstzufriedenheit führen. Denn ohne strukturell ausgeglichenes operatives Ergebnis bleibt unser Haushalt verletzlich.
Öffentliche Unternehmen: Verantwortung statt Vertrauensvorschuss
Ein zweites Problemfeld betrifft die staatlichen Beteiligungen. Die GPK hat insbesondere auf die unklare Rolle des Staates als Eigentümer öffentlicher Unternehmen hingewiesen. Die Liquidation von Radio Liechtenstein hat gezeigt, wie rasch aus unternehmerischen Fehlentwicklungen politische Verantwortung wird, bis hin zur Frage der Staatshaftung.
Wer ist zuständig, wenn es in öffentlichen Unternehmen kriselt? Wie stark darf oder muss die Regierung eingreifen? Hier fehlt es an Klarheit. Es braucht verbindliche Regeln zur Corporate Governance und ein konsequentes Beteiligungscontrolling. Die öffentliche Hand muss wissen, wann sie lenkt und wann sie loslässt – und vor allem, wer für was verantwortlich ist und haftet.
Staatliche Risiken ernst nehmen
Neben der Stärkung der Governance-Strukturen empfiehlt die GPK die systematische Verankerung interner Kontrollsysteme (IKS) in der gesamten Verwaltung. Ein modernes Staatswesen muss seine Risiken kennen und steuern – nicht erst, wenn der Schaden eingetreten ist. Dazu zählt auch, mögliche Prozessrisiken bei Staatsunternehmen rechtzeitig zu erkennen und transparent zu handhaben.
Demografie als Druckfaktor
Ein weiterer, oft unterschätzter Punkt ist der demografische Wandel. Die geburtenstarken Jahrgänge treten ins Pensionsalter ein. Gleichzeitig verschärft sich der Fachkräftemangel in Wirtschaft und Verwaltung. Diese Entwicklung trifft auch unsere Sozialwerke und das Gesundheitssystem. Der Staat muss hier strategisch vorsorgen – nicht nur finanziell, sondern auch strukturell.
Fazit: Kein Grund zur Selbstzufriedenheit
Die Landesrechnung 2024 wurde im Juni-Landtag genehmigt, das Ergebnis ist formell korrekt und gesetzeskonform. Doch hinter dem beeindruckenden Plus stehen auch verpasste Chancen und bestehende Risiken, die wir nicht übersehen dürfen.
Eine nachhaltige Finanzpolitik braucht mehr als nur gute Zahlen: Sie braucht klare Verantwortung, funktionierende Kontrollmechanismen und Weitsicht im Umgang mit den Herausforderungen von morgen.
Gerade in Zeiten des finanziellen Erfolgs müssen wir ehrlich, kritisch und zukunftsorientiert bleiben. Denn unser Ziel darf nicht ein weiteres Rekordergebnis sein – sondern ein Staatshaushalt, der auch in schwierigen Zeiten stabil bleibt.
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