Kritische Betrachtung der FBP-Motion
Schule und Betreuung neu aus einer Hand
Die Motion der FBP zielt darauf ab, Bildung und Betreuung ab dem Kindergartenalter enger zu verzahnen und zentral über das Schulamt zu organisieren. Trotz des Anliegens, Familien zu entlasten und Kindern ein ganzheitliches Umfeld zu bieten, wirft der Vorschlag einige kritische Fragen auf.
Ein zentrales Gegenargument betrifft die Einschränkung der Gemeindeautonomie. Die Bildungs- und Betreuungsangebote in Liechtenstein sind historisch gewachsen und lokal geprägt. Eine einheitliche Regelung würde den Gemeinden wesentliche Kompetenzen entziehen und bereits bewährte Modelle gefährden.
Zudem droht eine Verdrängung bestehender privater Anbieter. Viele Gemeinden arbeiten erfolgreich mit Tagesstrukturen oder externen Betreuungseinrichtungen zusammen. Wenn der Staat zentrale Angebote schafft, geraten diese Anbieter unter wirtschaftlichen Druck. Das könnte zu einem Rückgang der Angebotsvielfalt führen und Eltern mit spezifischen Bedürfnissen weniger Wahlfreiheit lassen.
Auch organisatorisch und finanziell ist die Umsetzung anspruchsvoll. Die geplante Verlagerung von Kompetenzen vom Amt für Soziale Dienste zum Schulamt bedeutet einen tiefgreifenden Umbau bestehender Strukturen. Der Aufwand für Koordination, Personalplanung und Infrastruktur ist beträchtlich. Gleichzeitig fehlt eine klare Finanzierungsstrategie. Es ist unklar, wie die Kosten zwischen Staat, Gemeinden und Eltern aufgeteilt werden sollen. Gerade finanzschwächere Gemeinden könnten überfordert sein.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Vereinheitlichung auf Kosten der Flexibilität. Der Vorschlag setzt auf ein standardisiertes Modell für das ganze Land. Doch gerade die Vielfalt der derzeitigen Lösungen ermöglicht es, auf lokale Gegebenheiten und Bedürfnisse einzugehen. Ein starrer Rahmen könnte funktionierende Strukturen verdrängen.
Die geplante Zusammenführung von Schule und Betreuung könnte zudem zu einer Überlastung der Schulen führen. Neben dem Bildungsauftrag müssten sie künftig auch umfassende Betreuungsaufgaben übernehmen. Dafür sind weder alle Schulstandorte baulich noch personell gerüstet. Die Gefahr besteht, dass Lehrpersonen oder Schulleitungen zusätzlich belastet werden, was sich negativ auf die Qualität des Unterrichts auswirken kann.
Hinzu kommt die Zusammenarbeit unterschiedlicher Professionen. Lehrpersonen und Betreuungspersonal bringen unterschiedliche Ausbildungen, Rollenverständnisse und Ansprüche mit. Eine effektive Kooperation ist möglich, aber nicht selbstverständlich – insbesondere, wenn klare Zuständigkeiten fehlen.
Auch die erhofften Synergien sind fraglich. Doppelspurigkeiten lassen sich nicht in jedem Fall vermeiden. Besonders die Ferienbetreuung – ein zentrales Anliegen der Motion – lässt sich in ein schulzentriertes Modell nur schwer integrieren, wenn Schulräume geschlossen oder Lehrpersonen abwesend sind.
Nicht zuletzt bleibt die Akzeptanzfrage offen: Wurde genügend mit Gemeinden, Trägerschaften und Eltern gesprochen? Eine breite Verankerung ist entscheidend, wenn ein so tiefgreifender Wandel angestrebt wird.
Fazit
Die Ziele der Motion – bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie ein integriertes Betreuungsangebot – sind nachvollziehbar. Doch die vorgeschlagene Umsetzung wirft erhebliche Fragen auf: Sie gefährdet bewährte lokale Strukturen, schwächt private Anbieter, belastet Schulen und lässt zentrale Fragen zur Finanzierung offen. Daher haben die 6 DpL-Mandatare die Motion nicht überwiesen.
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