Acht Fragen und Antworten zur Volksabstimmung zum 2G Gesetz

Nachfolgend lassen wir je einen Befürworter und Gegner des 2G-Gesetzes zum Wort kommen. Wir haben sowohl Gesundheitsminister Manuel Frick
(Befürworter) als auch Kevin Marxer (Gegner) acht identische Fragen gestellt mit der Bitte, diese für die Veröffentlichung in unserem transparent Magazin zu beantworten.

1. Weshalb braucht die Regierung ein Gesetz, um 2G einführen zu können?

Frick: Der Staatsgerichtshof hat in seinem Urteil bezüglich 2G-Regelung bestätigt, dass die Voraussetzungen für die Einschränkung von Grundrechten –
öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit – angesichts der Pandemie gegeben waren. Gleichzeitig hat er entschieden, dass 2G keine ausreichende gesetzliche
Grundlage hatte. Diese Lücke soll mit dem vorliegen den Gesetzesartikel geschlossen werden.

Marxer: Wir stellen 2G grundsätzlich infrage, da gemäss aktuellem Wissensstand mit dem 2G-Gesetz eine Entlastung des Gesundheitssystems nicht erzielt werden kann. Unser Anliegen ist es, die soziale Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger zu wahren.

2. Welche Vorteile hat 2G im Vergleich zu 3G gehabt? Konnte der Nutzen von 2G in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden?

Frick: Empirisch belegt ist, dass kürzlich geimpfte und genesene Personen ein niedrigeres Ansteckungsrisiko haben als Personen ohne Immunschutz. Ebenfalls
empirisch belegt ist, dass geimpfte und genesene Personen ein vielfach tieferes Risiko haben, unter einem schweren Verlauf zu leiden und wegen Covid-19 hospitalisierungs- oder intensivpflegebedürftig zu werden. Nicht zuletzt birgt 3G das Risiko, dass Personen falsch negativ getestet werden oder im Zeitraum zwischen
Test und Besuch einer Veranstaltung infektiös werden. Zusammengefasst senkt 2G im Vergleich zu 3G das Infektionsrisiko und insbesondere die Ansteckung von
Personen, die keine Immunität haben und deshalb eine höhere Wahrscheinlichkeit für schwere Verläufe aufweisen.

Marxer: Auf Basis von Berechnungen zu einem Grossteil der Covid-19-Studien, die auf Grundlage der epidemiologischen Charakteristika der Delta-Variante
erfolgten, zeigt sich eine NNE von 1000, was bedeutet, dass mindestens 1000 ungeimpfte Personen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden müssten,
um eine SARS-CoV-2-Infektion zu verhindern. Gleich zeitig sind aber empfindliche Schäden anzunehmen. Der Grad der Wirkung von 2G bleibt also zumindest
zweifelhaft, insbesondere hinsichtlich einer Verhinderung von Hospitalisierungen. (Vgl.: Sachverständigenausschuss des deutschen Bundesgesundheitsministeriums «Evaluation der Rechtsgrundlagen und Massnahmen der Pandemiepolitik» vom 30.6.2022). Fazit: Aufgrund der aktuellen Datenlage ist die Behauptung, dass der Ausschluss von Ungeimpften eine angemessene und zielführende Massnahme ist, falsch.

3. Warum musste das 2G-Gesetz bereits jetzt erlassen werden? Als es um Nothilfen für die Wirtschaft ging, wurde der Landtag innert weniger Tage einberufen. Der entsprechende BuA wurde den Abgeordneten sogar erst einen Tag vor der Sitzung zugestellt. Könnte der Landtag in einem dringenden Fall nicht ebenso
schnell zusammenkommen und die notwendigen Massnahmen mittels eines dringlichen Gesetzes verabschieden?

Frick: Das wäre grundsätzlich vorstellbar, aber der Beschluss müsste für dringlich erklärt werden, ein Referendum und eine Volksabstimmung wären also nicht
möglich. Aufgrund demokratiepolitischer Bedenken hat sich die Regierung gegen dieses Vorgehen entschieden.

Marxer: Ein 2G-Gesetz ist nicht notwendig. 2G suggeriert den geimpften und genesenen Personen eine nicht vorhandene Sicherheit, denn auch Geimpfte und
Genesene können infiziert sein und das Virus übertragen. Auch hier verweisen wir auf die Ergebnisse des oben genannten Berichts des Sachverständigenausschusses. Ein Ausschluss von grossen Teilen der Bevölkerung liefert nicht den gewünschten Effekt und berücksichtigt nicht den Schutz der Risikogruppen.

4. Wäre aus demokratiepolitischer Sicht nicht eher angebracht gewesen, den normalen Gesetzesweg zu beschreiten, Vernehmlassung, 1. und 2. Lesung, um eine öffentliche Debatte zu ermöglichen und die Akzeptanz bei der Bevölkerung zu erhöhen?

Frick: Eine öffentliche Debatte findet nun ja statt, was bei dem in der vorherigen Frage genannten Vorgehen ausgeblieben wäre. Wäre dieser Weg beschritten worden, hätte sich der ganze Prozess nach hinten verschoben. Je nach epidemiologischer Entwicklung im Herbst würde die Möglichkeit für 2G dann nicht bestehen, falls sie gebraucht werden sollte.

Marxer: Der normale, korrekte Gesetzesweg hätte eine öffentliche Debatte erlaubt und wäre Qualitätsmerkmal einer verantwortlichen Politik gewesen. Erst
durch das Referendum wurde eine öffentliche Debatte ermöglicht.

5. Die Einführung von 2G schafft eine Ungleichbehandlung von Geimpften/Genesenen und von Ungeimpften. Rechtfertigen die bisherigen Erfahrungen mit 2G überhaupt eine neuerliche Einführung dieser Massnahme?

Frick: Ja. Massnahmen waren und sind natürlich immer auch im Zusammenhang mit der jeweils zirkulierenden Virusvariante zu treffen. Die Pandemie breitet
sich vor allem unter Ungeimpften aus, die Inzidenz liegt in dieser Gruppe deutlich höher. Knapp 90 Prozent der Intensivbetten waren in gewissen Phasen der Pandemie mit Ungeimpften belegt.

Marxer: Eine Ungleichbehandlung nach Impf- oder Genesenenstatus macht keinen Sinn und ist nach aktuellem Wissensstand nicht gerechtfertigt. Alle können
sich mit dem Virus anstecken und dieses weitergeben. Aktuell sind sowohl Geimpfte als auch Ungeimpfte auf Intensivpflegestationen (siehe Bericht zum spitalbasierten Covid-19-Sentinel-Überwachungssystem). Es geht darum, insbesondere die Risikogruppen zu schützen und Konzepte auf Basis neuester Erkenntnisse und Studien zu entwickeln. Diese Konzepte dürfen ganze Bevölkerungsgruppen nicht ausschliessen oder einen Impfdruck aufbauen.

6. Weil das schweizerische Epidemiegesetz auch im Fürstentum Liechtenstein gilt, sind wir verpflichtet, bei einer Pandemie ebenfalls Massnahmen zu ergreifen, die genauso wirksam sind. Kann die Schweiz konkret die Einführung von 2G in Liechtenstein fordern oder hat Liechtenstein einen bestimmten Spielraum, respektive welche gelinderen Massnahmen könnten ergriffen werden?

Frick: Liechtenstein ist auf Grundlage des Zollvertrags verpflichtet, im Vergleich mit der Schweiz gleichwertige Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie
zu ergreifen. Dies erlaubt Abweichungen in Details, aber keine grundlegenden Unterschiede.

Marxer: Der Staatsgerichtshof schreibt in seinem Urteil, dass «… die liechtensteinischen den schweizerischen Covid-Massnahmen in der Wirkung einigermassen entsprechen müssen». Das heisst: Massnahmen müssen nicht identisch sein, sondern in der Wirkung gleich oder besser.

7. Welche evidenzbasierten Daten gibt es heute zur Wirksamkeit der neu angebotenen Impfungen für die derzeit kursierenden Varianten des Omikron-Virus?

Frick: Laut Impfstoffhersteller und deren klinischen Studien bietet der neu angepasste Impfstoff eine gute Immunreaktion sowohl gegen Omikron-Subvarianten
als auch gegen das Virus, wie es 2020 im Umlauf war. Nebenwirkungen sind wie bei dem ersten Impfstoff mild.

Marxer: Es geht in dieser Diskussion nicht um die Wirksamkeit der Impfstoffe, sondern um die 2G-Regel. 2G unterscheidet nicht nach Alters- und Risikogruppen.
Durch 2G werden grosse Teile der Bevölkerung in ihrer sozialen Teilhabe beschnitten. Jede Bürgerin und jeder Bürger soll sich individuell über die Vor- und Nachteile
der verschiedenen Impfstoffe informieren und eine absolut freie Entscheidung über eine Impfung treffen dürfen.

8. Wären einzelne oder mehrere der nachfolgend genannten, «gelinderen» Massnahmen nach Ihrer Ansicht nicht geeignet, die neuerliche Einführung von 2G zu verhindern? Tragen von medizinischen Masken oder FFP2-Masken in öffentlichen Räumen, Abstandhalten, Händewaschen, Desinfizieren von Oberflächen; CO2-Messungen in Innenräumen (sogenannte Ampeln), Testen (3G).

Frick: Alle genannten Massnahmen sind wichtige Elemente. Es kann aber bei einer hohen Viruszirkulation und abhängig von der dann gerade zirkulierenden Virusvariante Situationen geben, in denen diese nicht ausreichen. Testen bietet keine hundertprozentige Sicherheit; die Zuverlässigkeit hängt vom Zeitpunkt der
Infektion und des Tests ab. Bei Veranstaltungen mit Konsumation sowie in Gastronomiebetrieben kann zudem nicht durchgehend eine Maske getragen werden. Abstandhalten, Hygiene und CO2-Messungen sind auch in einem 2G-Umfeld wichtige Elemente bei der Eindämmung von Covid-19, können aber andere
Massnahmen nicht vollständig ersetzen.

Marxer: Im Fall einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems ist laut Bericht des Sachverständigenausschusses des deutschen Bundesgesundheitsministeriums vom 30.06.2022 «eine Testung unabhängig vom Impfstatus … zu empfehlen». Wir empfehlen bei besagter drohender Überlastung das Testen mittels Spucktests, den Schutz der Risikogruppen mittels Massnahmen wie Abstand, Hygiene, den Einsatz bekannter und neuer Medikamente zur Stützung des Immunsystems und frühzeitige präventive Massnahmen. Zusätzlich benötigen wir dringend eine fundierte Datenlage. Niemand darf aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen und es darf kein Impfdruck auf alle Altersgruppen ausgeübt werden.

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