Befürworter der Energievorlagen verdrehen Fakten

Der Abstimmungskampf um die beiden Referenden zu den Energievorlagen ist bissig und emotional. Die Befürworter möchten die unentschlossenen Wähler mit einer grossen Plakatwerbung auf ihre Seite ziehen. Dabei setzen sie auf Emotionen anstatt auf Fakten. Nachfolgend eine kritische Auseinandersetzung mit den fragwürdigen Argumenten der Befürworter.

STAND AUSBAU PHOTOVOLTAIK (PV) HEUTE UND EIGENVERSORGUNGSGRAD

Bis zum 05.09.2023 wurden in Liechtenstein rund CHF 120 Millionen erfasste Investitionen für PV-Anlagen getätigt. Die effektiven Kosten dürften höher liegen. Dazu wurden bis Ende 2022 rund CHF 40 Millionen an Einspeisevergütung ausbezahlt. Aktuell sind wir beim Eigenversorgungsgrad mit Energie im Jahresdurchschnitt bei 13% angelangt, davon 3% aus PV-Strom. Im Winter ist der Eigenversorgungsgrad viel tiefer. Von einer Energie-Unabhängigkeit sind wir meilenweit entfernt, und das werden wir auch in 10 Jahren noch sein, wenn einzig auf PV gesetzt wird (siehe Grafik). Fast 50 % der Energie beziehen wir aus fossilen (schmutzigen) Brennstoffen, im Winter mehr als im Sommer. Heute würde es in Europa ohne «Putin und Co.» kalt.

Macht uns die PV-Pflicht unabhängig?

Die Befürworter der beiden Gesetzesvorlagen behaupten, dass uns PV-Strom unabhängig von Diktatoren und Despoten sowie von schmutziger Energie mache. Stimmt das wirklich? Fakt ist, dass PV-Strom uns nur in den Sommermonaten etwas unabhängiger macht. In den kurzen Wintermonaten, z.B. ab November ist die Leistung der PV-Anlagen im Tal marginal. Die Abbildung (linke Seite, unten) zeigt den Energiehaushalt zweier älterer Häuser, die mit einer Erdsonden-Wärmepumpen- Kombination beheizt werden (kein e-Auto). Auf den Dächern der Häuser befindet sich eine 26 kWp-PV-Anlage.

Im November 2023 produzierte die PV-Anlage 597 kWh Solarstrom, davon konnte die Hälfte (306.8 kWh) selbst verbraucht werden. Der Rest wurde in das Netz eingespiesen (290.2 kWh). Obwohl die erwähnte PV-Anlage über das Jahr verteilt ungefähr doppelt so viel Strom produziert, wie benötigt wird, mussten im November drei Viertel (= 894.2 kWh) des benötigten Stroms von den LKW bezogen werden.

UND WIE SCHAUT DIE STROMRECHNUNG FÜR DEN ANLAGENBESITZER FÜR DEN MONAT NOVEMBER AUS?

Durch die Eigenproduktion sparte der PV-Anlagenbesitzer ca. CHF 93.60 an Stromkosten und bekommt von den LKW noch eine Gutschrift von CHF 17.40. Insgesamt also CHF 111.00, die an die Amortisation der PV-Anlage gehen.

ABHÄNGIGKEIT VON ANDEREN ENERGIETRÄGERN BLEIBT TROTZ GROSSER PV-ANLAGE GROSS

Wie dem realen Anschauungsbeispiel oben entnommen werden kann, bleibt die Abhängigkeit von anderen Energieträgern trotz grosser PV-Anlage bestehen. Daraus ist die Lehre zu ziehen, dass eine Energiestrategie, die zur Hauptsache auf PV-Strom setzt, das Ziel einer gewissen Energieunabhängigkeit und wesentlich besserem Eigenversorgungsgrad in den kalten Wintermonaten nie erreichen wird. Selbst an einem sonnigen Novembertag, wenn die PV-Stromproduktion gleich gross ist wie der Verbrauch, muss die Hälfte des Stroms zugekauft werden, weil die Sonne halt nur während wenigen Stunden scheint. Stromproduktion mit PV und Strombedarf eines Haushalts liegen im Sommer und im Winter weit auseinander. Besonders dann, wenn mit einer Wärmepumpe geheizt wird. Während in den Sommermonaten an einem Sonnentag ein grosser Strom-Überschuss produziert wird, reicht der PV-Strom in den Wintermonaten November, Dezember und Januar nirgendwo hin. Die Leistung einer PV-Anlage in kurzen Wintermonaten beträgt im Durchschnitt gerade mal 20% derjenigen in den Sommermonaten Mai, Juni und Juli. Die Aussage der Befürworter, dass uns PV unabhängig macht, stimmt so also nicht wirklich. Vielmehr begeben wir uns mit einer einseitigen – auf PV ausgerichteten Energiestrategie – in neue Abhängigkeiten, nämlich in diejenige von China. Erdgas wurde bis vor kurzem noch mit sauberer Energie gleichgesetzt. Jetzt wollen die staatlichen Akteure nichts mehr davon wissen, dass man über Jahrzehnte die Haushalte unbedingt ans Erdgasnetz anschliessen wollte. Heute passiert das Gleiche mit der Photovoltaik.

A propos, die in China produzierten Solarpanels werden nicht mit grüner Energie hergestellt, sondern teils mit «schmutziger » fossiler Energie. China hat 2022 mit 11.396,78 Milliarden Tonnen CO2 weltweit mit Abstand am meisten CO2 ausgestossen (Quelle: www.statista.com).

Rentiert eine PV-Anlage?

Die Befürworter der beiden Energie- Vorlagen behaupten, dass PV rentiere, dass die Wertschöpfung im Lande bleibe und der Strom vom Dach gratis sei.

KOSTEN EINER INDACH-PV-ANLAGE

 

Eine Indach-Anlage mit 26 kWp in ein bestehendes Dach eingebaut kostet ca. CHF 100‘000.- (PV-Anlage plus Dachabschlüsse). Diese hohe Investition muss amortisiert werden. Daher ist der Strom vom Dach nicht gratis. Investiert der Hauseigentümer in eine PV-Anlage, bleiben ca. 35 % der Ausgaben im Land, vorausgesetzt die Anlage wird von einem inländischen Betrieb geliefert, der Rest sind Ausgaben für PV-Module, Tragkonstruktion, Kabel und Wechselrichter. Für eine durchgehende Eigenversorgung im Sommer müssen entweder teure Batteriespeicher installiert oder den LKW Netzgebühren bezahlt werden, damit die LKW den tagsüber überschüssig produzierten Strom abnimmt und nach Sonnenuntergang wieder zu einem viel höheren Preis zur Verfügung stellt. Von gratis keine Spur. Im Winter ist an keinem Tag eine Eigenversorgung möglich (siehe Beispiel oben). Batterien bringen im Winter meist nicht viel, weil der produzierte PVStrom nicht ausreicht, um die Batterie zu laden. Die Aussagen der Befürworter sind also zurechtgebogen.

 

WER PROFITIERT VOM PV-STROM WIRKLICH?

Beim Ertrag profitieren in erster Linie nicht der private PV-Anlageneigentümer, sondern die LKW. Die LKW kaufen den Strom vom PV-Produzenten zum Spotmarktpreis ein und verkaufen diesen zu einem viel höheren Tarif an die FL-Strombezüger weiter. Die Marge der LKW ist abhängig vom Spotmarktpreis und vom Energiepreis, den die LKW ihren Kunden verrechnet. Am 12. Dezember 2023 betrug der Tagesmittel- Spotmarktpreis 12 Rp/kWh, die LKW verrechneten dem Endkunden 26.5 Rp/kWh für die Energie, damit haben die LKW ca. 14.5 Rp/kWh oder 120% Marge gemacht.

Noch etwas: Die LKW vergüten mindestens 6 Rp pro produzierte kWh im Jahresdurchschnitt. Das heisst: Selbst wenn der an die LKW abgelieferte Strom in den kalten Wintermonaten zu einem Spotmarktpreis von 25 Rp./ kWh gehandelt wird, wird der inländische PV-Stromproduzent kaum mehr als den Minimalpreis erhalten, weil die niedrigen oder manchmal sogar negativen Spotmarktpreise den Schnitt nach unten ziehen, sodass nur die minimale Vergütung gezahlt werden muss. Mit der Zunahme der PV-Stromproduktion wird sich dies noch verstärken.

ACHTUNG: Wenn die LKW den PVStrom nicht zum Einkaufspreis absetzen können, wird die Differenz aus dem Fond für Einspeisevergütungen bezahlt. In diesen Fonds zahlen alle Strombezüger ein, nämlich eine sogenannte «Förderabgabe » von 1,5 Rp./kWh. Wenn dereinst in den Sommermonaten zu viel PV-Strom produziert wird und die Strompreise öfter und länger negativ sind, dann wird dieser Fonds stark belastet und die «Förderabgabe» muss steigen.

HÄLT DIE GROSSZÜGIGE FÖRDERUNG VON PV-ANLAGEN AN?

Ja, die Förderung durch das Land ist grosszügig. Ob das bei einer gesetzlichen PV-Installationspflicht allerdings so bleibt, ist nicht garantiert, denn, wenn etwas gesetzlich vorgeschrieben ist, braucht es grundsätzlich keine Subventionen mehr. Ausserdem fördern die Gemeinden PV-Installationen recht unterschiedlich.

 

Steigen oder sinken die Mieten bei einer Annahme der Energievorlagen?

Wer garantiert oder glaubt, dass der Vermieter eine allfällige Kosteneinsparung an den Mieter weitergibt? Der Vermieter wird seine anfänglich hohe Investition in eine PV-Anlage amortisieren wollen, was nichts anderes heisst, als dass die Mieten sicher nicht sinken werden. Ob der Vermieter die erzielten Kosteneinsparungen bei der Erzeugung von Strom an die Mieter weitergibt, bleibt diesem überlassen. Und überhaupt: Wieso soll Heizen mit PV-Strom viel günstiger werden? Die PV-Anlage liefert im November, Dezember, Januar und Februar viel zu wenig Strom, um das Gebäude nur annähernd heizen zu können. Siehe Ausführung zu «Daten zu Stromproduktion im November 2023» Eine nachvollziehbare und sachliche Begründung, warum Mietkosten bei einer Annahme der Energievorlagen sinken sollen, sind die Befürworter bislang schuldig geblieben. Den Gratisstrom vom Dach gibt es nicht. Wer anderes behauptet, erzählt die Unwahrheit.

Zwang oder Freiwilligkeit?

Die FBP-Regierungsrätin Monauni und ihre Anhängerschaft im Landtag hat offenbar ihr Versprechen aus dem FBP Wahlprogramm vergessen:

Die Demokraten setzen hier auf Fördern anstatt auf Vorschreiben und Verbote. Jeder PV-Ausbau macht Sinn und jede kWh, die Private auf ihren Dächern produzieren, macht uns eigenständiger. Die Bereitschaft, PV-Anlagen und Wärmepumpen anzuschaffen ist bei unserer Bevölkerung vorhanden und sehr hoch. Das zeigen die aktuelle Nachfrage und die Lieferfristen, die wegen der grossen Nachfrage sehr lang sind, sehr deutlich. Mit PV-Strom allein werden wir unseren Energiehunger nicht stillen können. Wir müssen alle Stromproduktionsvarianten prüfen und dann entscheiden, was umgesetzt werden soll und was nicht. Eine 100 %ige Eigenversorgung können wir nicht erreichen, aber mit einer diversifizierten Stromproduktion fahren wir viel besser als mit einer PV-Pflicht.

Kommentare

Elias Kindle sagt:

Spannender Artikel. Die Winterstromlücke muss künftig überbrückt werden, das ist allen klar. Es wird nirgends behauptet, dass es keine weiteren Massnahmen braucht, um diese Lücke zu füllen. Die aktuellen Vorlagen sind der erste einfache Schritt in die richtige Richtung. Wie sieht es mit den Zahlen zum PV Strom von April – Oktober aus? Machen uns PV Module in den restlichen 9 Monaten unabhängiger? Ich fände es durchaus erstrebenswert, dass wir bis 2030 wenigstens 50% des Stromes selbst produzieren. Die Industrie braucht den Strom auch im Sommer. Und auch ein Normalbürger kocht elektrisch, heizt Wasser auf oder wäscht Wäsche das ganze Jahr).
Was ich noch aus dem Artikel nehme, ist dass die LKW eine Geldmaschine ist. Warum setzt ihr euch nicht vermehrt ein, dass wie fliessend Wasser auch Strom und auch das Stromnetz! als Allgemeingut angesehen wird, und kein Profit gemacht werden darf?

Thomas Rehak sagt:

Elias: Der Landtag hat bisher alle unsere Vorstösse abgelehnt, um weitere erneuerbare Energiequellen und Speicherlösungen zu prüfen. Derzeit wird allein auf die PV-Pflicht gesetzt, ohne dass man sich über die Speicherung der Energie Gedanken macht. Diese einseitige Strategie ist nicht zweckdienlich, aus unserer Sicht ist sie falsch. Wenn sich diese Strategie in ganz Europa ausbreitet, wird der Solarstrom im Sommer kaum mehr ein Ertrag bringen. Wir sollten besser die PV-Anlagen wie bisher grosszügig fördern und so ein gesundes Wachstum anstreben. Daneben sollte man aber unbedingt andere erneuerbare Energiequellen wie Wasserkraft, Windkraft und alpine Solaranlagen, Speicherlösungen prüfen. Dabei ist klar, dass Produktionsanlagen im Inland sowie im Ausland geprüft werden sollten.
Ja die LKW ist ein «Goldesel». Wir sind die einzige Partei, die schon seit Jahren von der Regierung verlangt, dass man mit der Grundversorgung keine Gewinne schreiben soll, weil dies versteckte Steuern sind. Mit den Gewinnen aus dem Stromnetz konnte die LKW – von der Regierung gewollt – ein Grossteil des Glasfasernetzes „querfinanzieren“. Die Regierung und der Landtag stützte bislang diesen Kurs der LKW.

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