Direktwahl der Regierung – es braucht noch Zeit

Das Postulat zur Direktwahl der Regierung wurde im März-Landtag mit 15 Stimmen an die Regierung überwiesen.
Allerdings wurde der Vorstoss wohl von den meisten kaum aus innerer Überzeugung unterstützt, sondern die Motivation der FBP-, VU und FL-Abgeordneten lag wohl eher darin, dass der Regierung damit die Gelegenheit geboten wird, dieses von breiten Bevölkerungskreisen getragene Anliegen ein für alle mal zu beerdigen, wenn die Postulatsbeantwortung
ergibt, dass ein solcher Eingriff in die Verfassung zu weit geht und aus diesen oder jenen Gründen nicht machbar ist.
Die Glaubwürdigkeit der Postulatsbeantwortung wird aber am Ende des Tages davon abhängen, ob die Regierung den
Forderungen der Postulanten nach dem Beizug von neutralen, ausländischen Verfassungsspezialisten nachkommen
wird oder nicht.

Ziel des Postulats:
Mit dem Postulat wird die Regierung eingeladen, abzuklären, welche Auswirkungen die Einführung der Direktwahl
der Regierung mit sich bringen würde. Insbesondere soll die Regierung verschiedene Varianten der Direktwahl der Regierung einander gegenüberstellen und dabei deren Vor- und Nachteile beleuchten.
Dazu soll die Regierung auch Abklärungen und Vorschläge machen, welche Änderungen an der liechtensteinischen Verfassung und weiteren Gesetzen nötig wären, um eine Direktwahl der Regierung in der Praxis umzusetzen, dies unter der
Prämisse, dass die Rechte des Landesfürsten nicht in Frage gestellt werden.

Heutige Einsetzung der Regierung:
Die liechtensteinische Verfassung zeichnet sich dadurch aus, dass die Staatsgewalt auf Volk und Fürst aufgeteilt ist. Das
Volk wählt die Volksvertreter in den Landtag. Der Landtag wählt den Regierungschef und die Regierungsräte, und der
Landesfürst ernennt diese auf Vorschlag des Landtages. Die Regierung steht somit zwischen dem Landtag, der die Regierungsmitglieder vorschlägt, und dem Fürsten mit seinem Ernennungsrecht.

Entlassung der Regierung:
Verliert die Regierung das Vertrauen des Landesfürsten oder des Landtages, dann erlischt ihre Befugnis zur Ausübung des Amtes (Art. 80 Abs. 1 LV). Verliert ein einzelnes Regierungsmitglied das Vertrauen des Landesfürsten oder des Landtages, dann wird die Entscheidung über den Verlust der Befugnis zur Ausübung seines Amtes zwischen Landesfürsten und Landtag einvernehmlich getroffen (Art. 80 Abs. 2 LV).

Grenzen des heutigen Systems:
In unserem Wahlsystem hat der Wähler nur indirekten Einfluss auf die Wahl des Regierungschefs oder einzelner Regierungsmitglieder. Bezüglich der Absetzung einzelner Regierungsmitglieder oder der Gesamtregierung hat der Wähler
gar keinen Einfluss. Im Vorfeld der Landtagswahlen geben die Parteien bekannt, welche Regierungsmitglieder sie dem
gewählten Landtag zur Wahl empfehlen und damit dem Landesfürsten zur Ernennung vorschlagen wollen. Dennoch
ist der Wähler in der freien Wahl der Abgeordneten eingeschränkt: Wenn ein Wähler einen bestimmten Regierungsratskandidaten einer ersten Partei in der Regierung wissen möchte, aber eher Landtagskandidaten einer zweiten Partei wählen möchte, dann steckt er in einem nicht lösbaren Interessenkonflikt. Hinzu kommt, dass die Vorschläge der Parteien unverbindlich sind. Das heisst, es ist möglich und auch schon vorgekommen, dass einzelne der zuvor propagierten Regierungsmitglieder nach der Landtagswahl wieder ausgetauscht wurden.

Vorteile einer Direktwahl:
Bei einer Direktwahl der Regierung kann der Wähler seine Stimme jeweils den nach seiner Meinung geeignetsten
Landtags- und Regierungsratskandidaten über Parteigrenzen hinweg geben und dadurch seine Wunschkandidaten direkt
unterstützen. Dies ist natürlich nicht im Sinne der beiden Regierungsparteien.

Vorgaben des Postulats:
Durch eine Direktwahl der Regierung sollen die Rechte und
die Stellung des Landesfürsten nicht angetastet werden. Deshalb verlangt das Postulat, dass die Regierung die Auffassung
des Landesfürsten, bzw. des Erbprinzen zu den einzelnen Lösungsvorschlägen zur Direktwahl der Regierung einholen soll.
Des Weiteren soll die Regierung auch bei einer Direktwahl das Vertrauen des Landtages haben müssen. Denn der Landtag, dessen Aufgabe die Kontrolle der Staatsverwaltung und der Regierung ist, soll, sofern keine triftigen Gründe dagegen
sprechen, weiterhin die Vertrauensfrage stellen können und damit gemäss LV Art. 80 die Regierung oder einen einzelnen
Regierungsrat entlassen können.

Varianten der Direktwahl:
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Direktwahl der Regierung umzusetzen: Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, dass
das Volk dem Landesfürsten einen Vorschlag zur Ernennung der Regierung unterbreitet. Eine andere wäre z.B., dass der
Landtag die Regierungsmitglieder aus seiner Mitte bestellt. Damit wären die Regierungsmitglieder mit der Landtagswahl
teillegitimiert.

Resultate der Meinungsumfrage aus dem Jahr 2016:
Für etwa die Hälfte der Wählerschaft werden die Aspekte Kompromisseigenschaft, Ausbildung, politischer Standpunkt
und politisch ausgewogene Regierung als «sehr wichtig» eingestuft. Hingegen war die Parteizugehörigkeit für 64%
der Befragten «eher unwichtig» oder «ganz unwichtig». Dies spricht klar gegen die heutige Praxis der Regierungsbildung. Die Wählerschaft verspricht sich von einer Direktwahl grossmehrheitlich mehr Sachpolitik, eine bessere Meinungsvertretung und dass parteiunabhängig die geeignetsten Personen gewählt werden. Auch ist in etwa der gleiche Anteil der Befragten der Ansicht, dass das Volk zu wenig Einfluss auf die Zusammensetzung der Regierung hat.

Was spricht gegen eine Direktwahl?
Für eine Beibehaltung des jetzigen Wahlsystems spricht, dass das heutige Wahlsystem bereits viele Jahrzehnte funktioniert
– für die einen gut, für die anderen eher leidlich. Auch wird als Argument für die Beibehaltung des jetzigen Wahlsystems
angeführt, dass die Regierung eine Mehrheit des Landtags hinter sich haben sollte, wenn sie wichtige Reformprojekte
durch den Landtag bringen will. Die Erfahrung der vergangenen beiden Legislaturperioden zeigt jedoch, dass die Regierung bei wichtigen Sachfragen auch auf die Stimmen der Opposition zählen kann.

Direktwahl der Regierung ist eine Frage des Wollens:
Auf Gemeindeebene werden die Vorsteher im Majorzwahlsystem direkt vom Volk gewählt. Im Jahre 2007 hatten 7 von 11 Gemeindevorstehern keine Mehrheit im Gemeinderat hinter sich, ohne dass sich daraus negative Folgen für die Gemeindepolitik ergeben hätten. Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass die Zusammenarbeit zwischen Landtag
und Regierung durch eine Direktwahl negativ beeinflusst würde. Das Gegenteil könnte der Fall sein. Die oftmals gehörten Befürchtungen, wonach die Zusammenarbeit im Landtag durch eine Zersplitterung der Parteienlandschaft erschwert werden könnte, haben sich bisher nicht bewahrheitet. Seit es mehr als zwei Parteien im Landtag gibt, hat die Sachpolitik gegenüber der Parteipolitik nachweislich an Gewicht gewonnen.

Postulatsbeantwortung bis wann?
Grundsätzlich müsste das Postulat noch in dieser Legislaturperiode beantwortet werden. Die Regierung hat aber bereits
anlässlich der Behandlung im Landtag angekündigt, dass sie mehr Zeit benötigen wird. Entscheidend wird sein, welche
externen Verfassungsrechtler die Materie behandeln werden. Zu befürchten ist, dass die Regierung von vorneherein das
Resultat in eine bestimmte Richtung steuern möchte.
Die Glaubwürdigkeit der Postulatsbeantwortung wird wesentlich davon abhängen, ob die Regierung, wie von den
Postulanten gefordert, ausgewiesene neutrale Verfassungsexperten mit der Behandlung der Fragestellung beauftragt
oder solche, die entweder nicht unabhängig sind, weil sie am Geldsäckel des Landes hängen oder zum «Netzwerk» einer
der beiden Regierungsparteien gehören.

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