Inflationäre Kostensteigerungen bei «Erasmus+»

Über CHF 16 Millionen für freiwillige Teilnahme an EU-Programmen

Seit 1995 nimmt Liechtenstein an den europäischen Bildungs‐ und Jugendprogrammen teil. Das Erasmus+ Bildungsprogramm der 4. Generation betraf die Periode von 2014 bis 2020. Die Kosten für die Programmbeteiligung beliefen sich gemäss damaligem Bericht und Antrag der Regierung für Liechtenstein für die siebenjährige Gesamtlaufzeit auf EUR 5,017 Millionen (CHF 6,15 Mio. gemäss Wechselkurs vom 1.1.2014). Da sich, wie üblich, das liechtensteinische BIP im Verhältnis zum BIP von Island bzw. Norwegen in den letzten Jahren positiv entwickelte, stieg der liechtensteinische Beitragsanteil per Ende 2018 auf EUR 6‘143‘000 (Kostensteigerung von ca. 22% gegenüber dem
ursprünglichen Betrag). Per Ende 2020 dürfte die Kostensteigerung noch höher ausfallen.
Liechtenstein hat bisher an drei Programmen teilgenommen, nämlich «Erasmus+», «Europäisches Statistisches Programm» und «Rechte, Gleichstellung und Unionsbürgerschaft». Neu will die Regierung, dass Liechtenstein an insgesamt fünf Programmen, nämlich «Erasmus+», «Digitales Europa», «EU-Binnenmarktprogramm», «Kreatives Europa» sowie «Europäisches Solidaritätskorps», teilnimmt. Das teuerste Programm ist «Erasmus+». Dieses Programm ermöglicht «Jugendlichen und erwachsenen Personen aus Liechtenstein, auf vielfältigste Art und Weise wertvolle interkulturelle Erfahrungen zu sammeln. Ausserdem erhalten zahlreiche junge Menschen aus dem europäischen Raum die Chance, in Liechtenstein ein Studium, ein Praktikum, einen Freiwilligendienst oder einen Intensivkurs zu absolvieren. Sie lernen auf diese Weise unser Land kennen und sind in Zukunft in der Regel wertvolle Botschafter unseres Landes im Ausland. Zusätzlich entstehen unzählige Netzwerke, die Liechtenstein in ganz Europa weiterbringen. Insbesondere sind dabei die beruflichen wie auch persönlichen Verbindungen zu erwähnen, die aus den Projekten der strategischen Partnerschaften und der Mobilitätsprojekte entstehen.» (Zitiert aus BuA Nr. 1224/2020).
Die Teilnahme an den oben genannten fünf Programmen kostet neu EUR 15,5 Mio. In Schweizerfranken sind dies gemäss aktuellem Mittelkurs CHF 16,74 Mio. Das entspricht einer Kostensteigerung von sagenhaften 272% gegenüber dem ursprünglichen Betrag des Vorgängerprogramms. Diese Kostensteigerung steht in keinem Verhältnis, weder zur Bevölkerungsentwicklung (2014 bis 2019: +1%), Entwicklung des Bruttoinlandprodukts BIP (2014 bis 2019: + ca. 10%) noch zur Entwicklung der Steuereinnahmen (2014 bis 2019: + ca. 38%). Zu den oben erwähnten Kosten von CHF 16,74 Mio. kommen noch die Kosten, welche für die Agentur für Internationale Bildungsangelegenheiten (AIBA) anfallen (mehr als 5 Vollzeitbeschäftigte) und für den Verein aha – Jugendinformation Liechtenstein aufgewendet werden müssen. Die Aus- und Weiterbildung unserer Jugend und auch der Lehrpersonen sind für den Werkplatz und die Zukunft Liechtensteins sicherlich von grösster Wichtigkeit. Dazu gehören natürlich auch Auslandsaufenthalte und das Erlernen von Fremdsprachen. Trotzdem darf und muss hinterfragt werden, ob die Kostensteigerung und damit das Kosten/Nutzen-Verhältnis sich noch im vertretbaren Rahmen bewegen. Auslandsaufenthalte für unsere Jugendlichen und Lehrer liessen sich auch mit einem kleineren bürokratischen Apparat organisieren.
Wer einen Input zu diesem Thema hat, schreibt mir bitte unter erich.hasler@landtag.li. Im Bereich Bildung wurden in Liechtenstein im Zeitraum 2014–2020 über hundert Erasmus+ Projekte kreiert und bei der Nationalagentur eingereicht. Projektträger waren diverse Schulen (Gymnasium, Oberschule Eschen, Realschule Vaduz, Gymnasium etc.), FL-Schulamt, VBO, Universität Liechtenstein, CIPRA International, Verein Symbiose u.a.). Nachfolgend ein von der Jury positiv bewertetes Projekt der Oberschule Eschen mit dem Titel:

Profilierung der Schule unter Berücksichtigung demokratischer Bildungsprozesse.
«Ich war bisher auf jeder Bildungsreise dabei. Lissabon, Tallinn, Palermo und Dublin waren für mich besondere Orte des Lernens. Eine enorme Bereicherung nicht nur für mich als Lehrperson, sondern auch für unseren Teamgeist an der OSE. Ich freue mich schon sehr auf unsere nächste Destination Lyon!» (Bernadette Mair, Fachlehrerin) (Zitiert aus ERASMUS+ Best of 2014 bis 2020 (Broschüre der AIBA und Best of awards)

Die Schweiz und Erasmus+
Die Schweiz wurde nach Annahme der Begrenzungsinitiative im Februar 2014 von der EU aus dem Erasmus+ Programm praktisch ausgeschlossen (Abbruch der Verhandlungen durch die EU). Der Bundesrat beschloss dann im Jahr 2017, auf eine Vollassoziierung beim EU-Programm «Erasmus+» zu verzichten. Eine Vollmitgliedschaft wäre die Schweiz teuer zu stehen gekommen. Seitens der EU lagen Forderungen von 684 Millionen Franken auf dem Tisch (NZZ 27.4.2017). Dagegen hatte das Parlament 2013 bloss einen Betrag von 185 Millionen Franken gutgeheissen. Zusätzliche 130 Millionen hatte es für die nationale Umsetzung und Begleitmassnahmen gesprochen. Die schweizerischen Universitäten organisierten daraufhin den Studentenaustausch mit den europäischen Universitäten selbst und konnten mit fast allen europäischen Partneruniversitäten bilaterale Verträge abschliessen, sodass die an den schweizerischen Unis ansässigen Studenten sehr wohl die geplanten Auslandsaufenthalte absolvieren konnten. Auch ausländische Studenten konnten an den schweizerischen Unis und der ETH studieren. Allerdings kostete das Ganze den Bund viel weniger, als wenn die Schweiz Erasmus-vollassoziiert gewesen wäre.

 

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