Reinigungswesen: Regierung fördert Lohndrückerei
Die Regierung verfolgt die Strategie, alle Reinigungsarbeiten extern zu vergeben. Momentan haben gerade mal noch 26 Reinigungskräfte einen Arbeitsvertrag bei der Landesverwaltung. Diese sind in den Lohnklassen 3 und 4 eingereiht (Lohnklasse 3: Minimum CHF 51’100.–, Maximum CHF 78’070.– Jahresgehalt, exkl. möglicher Leistungsbonus). Das ergibt einen Stundenlohn zwischen ca. CHF 25.– und CHF 38.– bei jährlich effektiv geleisteten 2060 Arbeitsstunden (4 Wochen Ferien berücksichtigt).
Ziel der Regierung ist es, sämtliche Reinigungsarbeiten neu auszuschreiben. Betroffen sind insgesamt 45 Gebäude, die dem Land gehören. Zwischenzeitlich wurden bereits mehrere Lose ausgeschrieben und neu vergeben. Dabei hatten die bekannten einheimischen Reinigungsfirmen und ihre zum Teil langjährigen Mitarbeiter das Nachsehen. Den Zuschlag bekamen ausländisch kontrollierte Firmen wie der dänische Reinigungsgigant ISS, der günstiger offerierte. Der Reinigungsgigant ISS hat europaweit ca. 500’000 Mitarbeiter und einen Ableger in Schaan unter dem Namen ISS Facility Services (Liechtenstein) AG.
Folgende Neuvergaben wurden im Jahr 2020 gemacht:
Objekt | Billigste Eingabe | KV ABI | Preisreduktion |
Schädlerhaus, Vaduz | CHF 36’000 | CHF 80’000 | 55% |
Haus Melliger, Vaduz | CHF 26’200 | CHF 60’000 | 56% |
Post Triesen | CHF 35’800 | CHF 100’000 | 64% |
Haus Gamander, Schaan | CHF 32’000 | CHF 40’000 | 20% |
Medienstelle, Vaduz | CHF 20’400 | CHF 50’000 | 60% |
AMS Schulungsräume | CHF 26’600 | CHF 55’000 | 52% |
Haus der Finanzen | CHF 124’800 | CHF 220’000 | 43% |
Busbahnhof, Schaan | CHF 53’100 | CHF 100’000 | 47% |
Kunstschule, Nendeln | CHF 63’000 | CHF 100’000 | 37% |
Musikschule, Triesen | CHF 86’200 | CHF 180’000 | 52% |
Time-Out-Schule | CHF 27’500 | CHF 40’000 | 31% |
Landesmuseum, Vaduz | CHF 211’700 | CHF 400’000 | 47% |
Engländerbau, Vaduz | CHF 59’700 | CHF 115’000 | 48% |
Werkhof, Triesenberg | CHF 39’700 | CHF 80’000 | 50% |
WC-Anlage Schloss | CHF 31’800 | CHF 50’000 | 36% |
Sparen auf dem Buckel der Schwächsten
Gemäss Auskunft der Regierung konnten durch die Neuvergabe der Aufträge die Kosten um 30% gesenkt werden. Diese Kosteneinsparungen passieren leider genau auf dem Buckel der Schwächsten unserer Gesellschaft. Es ist bekannt, dass auch ein 100%-Pensum bei der ISS kaum ein vernünftiges Auskommen ermöglicht. Schliesslich beträgt der Mindeststundenlohn gerade mal CHF 18.70 brutto (exkl. Ferienanspruch von 8,3% und Feiertagsanspruch von 4,0%). Es ist klar, dass die inländischen Reinigungsfirmen zum Teil Personal abbauen mussten. Diese Personen können zwar in die Dienste der neu beauftragten Reinigungsfirmen wechseln, fangen dann aber wieder beim Mindeststundenlohn an.
Weltweit gegen moderne Sklaverei, aber Missstände im eigenen Land
Wer mit betroffenen Personen spricht und das ganze Ausmass der Ausbeutung sieht, muss sich für so eine Politik schämen. Dazu passt natürlich sehr gut, dass Liechtenstein im Rahmen der UNOweltweit gegen moderne Sklaverei kämpft. Eine scheinheiligere und verlogenere Politik kann man sich wohl kaum vorstellen. Sozialhilfeempfänger züchten
Das Ganze ist paradox: Zuerst wird auf Kosten der Einkommensschwächsten gespart, und der Steuerzahler darf danach die gleichen Personen mit Mietbeihilfen, Sozialhilfe und AHV-Ergänzungsleistungen usw. unterstützen. Aber warum macht die Regierung dies? Neben mangelnder Empathie der Regierungsmitglieder für Geringverdiener hat die Auslagerung der Reinigungsdienste den Vorteil, dass das eigene Personalbüro von einer lästigen Arbeit entlastet wird. Der tiefere Grund dürfte jedoch darin liegen, dass mit der Reduktion des eigenen Reinigungspersonals die Zahl der Staatsangestellten auf der Lohnliste des Landes deutlich kleiner wird, sodass die Verwaltung an anderer Stelle aufgebläht werden kann, ohne dass es auffällt.
Löhne und Qualität leiden
Es wäre natürlich ein Trugschluss zu glauben, dass die Auslagerungs-Politik der Regierung keine Auswirkungen auf die Qualität hat. In der Landesverwaltung haben sich diesbezügliche Reklamationen gehäuft. Beim Gymnasium Vaduz reinigt neu seit dem 1. Januar 2020 die ISS Facility Services (Liechtenstein) AG. Dafür mussten vier sehr langjährige Mitarbeiterinnen, die tagsüber für die Gebäudereinigung zuständig waren, ihren Arbeitsort intern wechseln. Wenigstens wurden sie bislang nicht entlassen.
Wenig erstaunlich ist, dass das Ergebnis der Sparübung eine gewaltige Qualitätseinbusse ist. So beklagen Schüler der 6. Schulklasse in einem Artikel der LG Nachrichten (Nr. 2 vom März 2020): «Die Reinigung des Schulhauses war auch ein grosses Thema. Da seit dem 1. Januar 2020 eine Reinigungsfirma das Schulhaus reinigt
und dies auch nicht mehr so oft, gab es viele Reklamationen, wie Edy Kindle bestätigte. So klagen die Lernenden z.B. über eine mangelhafte Reinigung der WCs. Edy Kindle meint, man gehe der Sache nach. Er bittet ausserdem, beim Verlassen des Klassenzimmers die Stühle aufzustuhlen, da der Putzdienst sonst nicht putzt.»
Also ein Bravo an die Regierung! Geld gespart – und dafür dürfen die Gymnasiasten tagsüber unappetitliche WCs benützen.
Zum Reinigungsgiganten ISS
49 Prozent der ISS gehören der Rossmann Beteiligungs GmbH. Diese gehört zum Imperium von Dirk Rossmann, dem eine der grössten Drogeriemarktketten Europas mit Hauptsitz in Burgwedel bei Hannover gehört. Die 1972 von Dirk Rossmann gegründete Dirk Rossmann GmbH erzielte 2019 mit total 56.200 Mitarbeitern einen Umsatz von ca. 10 Milliarden Euro.
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