Staatsbürgerschaft: Wie wird man Liechtensteiner?

Es gibt drei unterschiedliche Wege, wie man das liechtensteinische Bürgerrecht erwirbt:

  1. Von Gesetzes wegen
  2. Ordentliches Einbürgerungsverfahren mittels Abstimmung
  3. Erleichtere Einbürgerung

Von Gesetzes wegen erwirbt man die liechtensteinische Staatsbürgerschaft durch Geburt oder durch Adoption. Kinder aus gemischten Ehen (Liechtensteiner/in mit Ausländer/in) haben in der Regel beide Staatsbürgerschaften (automatisch oder auf Antrag). 50% der jährlich geschlossenen Ehen finden heute zwischen einem(r) Liechtensteiner(in) und einem(r) Ausländer(in) statt. Deswegen haben heute bereits mehr als 30% der Liechtensteiner mindestens zwei Pässe.

Welche Einbürgerungsverfahren dominieren?
Das ordentliche Einbürgerungsverfahren spielt heute praktisch keine Rolle mehr. Seit dem Jahr 2001 haben sich nur 132 Frauen und Männer im ordentlichen Verfahren (Abstimmung) einbürgern lassen (Tendenz abnehmend). Im Vergleich dazu haben sich im erleichterten Verfahren 2542 Personen einbürgern lassen (468 durch Heirat und 2074 durch längerfristigen Wohnsitz, d.h. Personen, die bereits mehr als 30 Jahre im Land wohnen, wobei die Jahre vor dem 20. Lebensjahr doppelt gezählt werden).

Historisches
In der Fassung des Bürgerrechtsgesetzes (BüG) aus dem Jahr 1934 hat eine Liechtensteinerin bei einer Heirat mit einem
Ausländer ihr Bürgerrecht automatisch verloren (§17 iVm 20 BüG). Aus heutiger Sicht eine krasse Diskriminierung der
Frau. Erst im Jahr 1974 wurde der entsprechende §20 BüG aufgehoben. Auf der anderen Seite hat eine Ausländerin bis
zum Jahr 1984 bei einer Heirat mit einem Liechtensteiner automatisch, d.h. von Gesetzes wegen, die liechtensteinische
Staatsbürgerschaft erhalten.
Diese Regelung wurde im Jahr 1984 im Zuge der Einführung des Frauenstimmrechts abgeschafft (um der Einführung des
Frauenstimmrechts den Weg zu ebnen!). Von da an galt eine Wartefrist von 10 Jahren, wobei die Jahre gemeinsamer Ehe
doppelt gezählt werden, sodass eine eingeheiratete Person die Staatsbürgerschaft bereits nach fünf Jahren erwerben
kann.

Gesetzesänderungen und Urteile des Staatsgerichtshofs (StGH)
Durch eine Teilrevision des BüG im Jahr 1996 wurden Mann und Frau in Bezug auf die Weitergabe der liechtensteinischen Staatsbürgerschaft gleichberechtigt. Zudem verbot der Staatsgerichtshof (StGH) eine Ungleichbehandlung von Mann
und Frau (StGH 1996/36). In der Folge wurde seit 1997 insgesamt 831 in Liechtenstein wohnhaften Personen das Landesbürgerrecht verliehen. Seit 1997 wurde zudem aufgrund des erwähnten StGH-Urteils 5092 im Ausland wohnhaften
Personen das Landesbürgerrecht verliehen (Quelle: Interpellationsbeantwortung BuA 42/2018).

Verzicht auf die bisherige Staatsbürgerschaft?
In Liechtenstein gilt der Verzicht auf die bisherige Staatsbürgerschaft bei Einbürgerung seit jeher (nicht betroffen ist die
Einbürgerung von Gesetzes wegen, siehe vorherige Seite). Neben Liechtenstein kennen nur noch Norwegen und Österreich den Verzicht auf die ursprüngliche Staatsbürgerschaft bei Einbürgerung.
Die Schweiz, Luxemburg, Frankreich und Grossbritannien erlauben seit jeher eine doppelte oder mehrfache Staatsbürgerschaft. Bei anderen Ländern wie Griechenland, Tunesien, Mexiko, Argentinien, Chile u.a. kann auf die bisherige Staatsbürgerschaft nicht verzichtet werden. Bestimmte Länder wiederum ermöglichen den Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft (Schweiz, Deutschland, Türkei).

NationalitätStändige Bevölkerung
per 31.12.2016
Anzahl
Einbürgerungen
Bevölkerungsanteil
jeweils in Prozent
Schweiz361256816%
Österreich220340819%
Türkei63637759%
Deutschland157221514%

Die obige Tabelle zeigt, dass nur ein sehr kleiner Prozentsatz der im Land lebenden Schweizer und Deutschen sich einbürgern lässt, obwohl ihre Heimatländer eine Wiedereinbürgerung nach Ermessen wieder zulassen. Türkischstämmige Einwohner als viertgrösste Ausländergruppe machen von der erleichterten Einbürgerung jedoch sehr stark Gebrauch.
Der Grund dafür ist, dass Drittausländer (nicht EWR/EU) sich durch eine Einbürgerung rechtlich wesentlich besserstellen
können (z.B. bezüglich des Familiennachzugs oder anderer Integrationsbestimmungen).

Hat sich das jetzige Bürgerrechtsgesetz bewährt?
Die Erfahrungen der letzten 30 Jahre zeigen, dass CH- und EWR/EU-Bürger keinen grossen Anreiz haben, sich einbürgern zu lassen, denn sie haben – bis auf das Wahlrecht – bereits die gleichen Rechte wie liechtensteinische Staatsbürger.
Drittausländer hingegen können ihre rechtliche Position mit einer Einbürgerung stark verbessern.
Die Hürde zur Erlangung der Staatsbürgerschaft in Liechtenstein ist sehr tief angesetzt: Es wird lediglich das Sprachniveau B1 und das erfolgreiche Bestehen eines Staatskundetests verlangt. Dieser Test ist als «Multiple Choice-Test» mit 27 Fragen aus einem Pool von 200 Fragen ausgestaltet, wobei 100 Fragen öffentlich bereits zugänglich sind. Eine von vier möglichen Antworten ist richtig. Im Unterschied zur Schweiz ist hierzulande eine erfolgreiche Integration keine Voraussetzung für eine Einbürgerung.
Die bisherige gesetzliche Regelung hat zur paradoxen Situation geführt, dass die aus dem gleichen Kulturkreis stammenden und die gleiche Sprache sprechenden Mitbewohner am politischen Leben nicht teilnehmen, obwohl diese zweifellos zu 100% integriert und assimiliert sind.
Eine Kopplung der doppelten Staatsbürgerschaft mit einer Verschärfung der Einbürgerungskriterien haben VU, DU und
FL mit der Ablehnung der DpL-Gesetzesinitiative geschlossen verhindert. Sollte die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft an der Urne abgelehnt werden, dann dürfte eine Anhebung der Einbürgerungskriterien wieder ein Thema werden.

Kommentare

Michael Wannke sagt:

Vielen Dank für die Übersicht. In der Tat ergibt sich eine paradoxe Situation in Bezug auf CH- und EWR/EU-Bürger. Das beruht aber m. E. weniger auf einem Desinteresse am Wahlrecht bzw. vollständigen Bürgerrechten, sondern eher an der (erwarteten) Unmöglichkeit der Erlangung. Es dürfte eher umgekehrt so sein, dass zwar ein Wille an der aktiven Mitgestaltung dieses schönen Landes besteht, dies aber eben in der Realität kaum erreichbar ist oder zumindest als kaum erreichbar erscheint. Die meisten CH/EWR-Bürger dürften aufgrund hochqualifizierter Erwerbstätigkeit ins Land kommen. Dann sind sie aber bereits erheblich über dem 20. Lebensjahr, vermutlich irgendwo zwischen 35 und 50. Dann müssten sie frühestens nach 10 Jahren auf das ordentliche Einbürgerungsverfahren (Abstimmung) hoffen. Das dürfte aber meistens als aussichtslos eingestuft werden, da ja selbst bekannte hiesige Politiker selten über 50% der Stimmen bekommen, warum sollte dann also bei einer per se weniger „wichtigen“ Person aktiv für diese gestimmt werden? (das würde auch die niedrige Zahl der Anträge erklären). So verbleibt noch, mindestens 30 Jahre zu warten. Das Alter erleben aber schon nicht alle. Im Übrigen tragen diese 30 Jahre natürlich auch unmittelbar zu den o.g. niedrigen Quoten bei, denn als Grundmenge sind ja alle Personen erfasst, nicht nur die, die aktuell überhaupt eines der Einbürgerungsverfahren anstrengen könnten. In diesem Sinne könnte die höhere Quote bei Türken sich durch eine häufigere Rückkehr nach <30 Jahren ins Heimatland erklären (das würde die Grundmenge im Durchschnitt reduzieren).

Gibt es daher bei der DpL daher Bemühungen, bspw. die 30 Jahre bspw. analog zur Schweiz auf 10 Jahre zu verkürzen und dafür evtl. im Gegenzug bspw. die Einbürgerungstests zu intensivieren?

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