Gesundheitswesen im Trudeln

Die Kapazität der Spitäler in Liechtenstein ist zu gross geworden, um diese mit Patienten aus Liechtenstein auszulasten. Die entstandene Überkapazität wieder abzubauen, muss möglichst verhindert werden. Der volkswirtschaftliche Schaden wäre gross.

Zu viel Kapazität
Das Unterland verfügt über fünf modernste Operationssäle, das Oberland über zwei renovierte Operationssäle. Bis eine Auslastung aufgrund des Bevölkerungswachstums erreicht ist, dauert es viel zu lange. Um unsere Spitäler heute schon oder möglichst bald auszulasten, muss das Einzugsgebiet der Patienten über die Grenzen ausgeweitet werden.

Uneinigkeit zerstört
Der Patient hat die freie Spitalwahl, wobei die Empfehlung des Arztes stark zum Tragen kommt. Anstatt die Qualität unserer Spitäler gemeinsam zu fördern und auch bekannt zu machen, werden zwischen dem Gesundheitsamt, den Ärzten und den Spitälern Konflikte ausgetragen. Das momentane Gegeneinander verunsichert die Bevölkerung und ist nicht vertrauensbildend, sondern kontraproduktiv.

Bis heute deutet nichts darauf hin, dass die Verantwortlichen aufeinander zugehen, um gemeinsam diesem ruinösen Zerwürfnis ein Ende zu setzen. Es ist zu befürchten, dass nach dem Ausbau des Spitals in Grabs noch mehr Patienten fehlen. Es braucht eine neue Person mit der Fähigkeit, die Parteien nach Jahre langen Diskrepanzen wieder zusammenzubringen.

Image-Pflege fehlt
Der Image-Pflege unserer Spitäler ist höchste Priorität beizumessen. Der Überkapazität der Spitäler im Land kann nur mit einem guten Ruf über die Grenzen entgegengewirkt werden. Eine erneute Umstrukturierung ist zu einfach und nützt nichts, wenn die Patienten fehlen. Die grosse Aufgabe ist, Patienten zu gewinnen. Ohne Zugewinn an Patienten bringen Investitionen nichts.

Eine Mengenausweitung in dem Sinn, dass auf Kosten der Allgemeinheit Behandlungen gemacht werden, die zwar nicht schaden, aber auch nichts bringen, ist mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen. Eine Mengenausweitung muss über die Grenzen erfolgen. Wenn das nicht gelingt, muss wohl oder übel einen Teil der aufgebauten Infrastruktur samt Arbeitsplätzen vernichtet werden. Die Gefahr besteht, dass vor allem dem Landesspital die unrentablen Behandlungen bleiben, derweil die lukrativen Geschäfte ins Ausland gehen, bezahlt mit Prämien und Steuergeld.

Staat arbeitet gegen Medicnova
Die Medicnova ist ein kleines und modernes Spital mit guten Ärzten mit meist regionaler Verbundenheit und hat in kurzer Zeit einen ausgezeichneten Ruf erlangt. Die Medicnova wurde von Privaten ohne Subvention gebaut. Dass jetzt dieses Spital für Behandlungen um vieles schlechter als Grabs entschädigt wird, ist ein unglaublicher Zustand. Für Spitalbehandlungen von Allgemeinversicherten in Grabs bezahlt die Krankenkasse 45% und der Staat 55% an die Spitalrechnung. Hingegen erhält die Medicnova nur den Beitrag der Krankenasse mit 45%. Wenn die Medicnova-Ärzte die Patienten im Spital Grabs operieren, bezahlt die Krankenkasse 45%, der Staat 55% an die Kosten. Wenn Medicnova-Ärzte in einem von den fünf Operationssälen im Unterland operieren, bezahlt der Staat nicht. Kein Wunder, dass den Patienten das Spital Grabs empfohlen wird. Diese Ungleichbehandlung der Medicnova fördert den Export der Wertschöpfung aus Steuergeld und Krankenkassenprämien ins Ausland.

Abgeordnete wurden getäuscht
In der Informationsveranstaltung für Abgeordnete im Landesspital wurde letztes Jahr zugesichert, dass die Oberen des Landesspitals mit den Ärzten der Medicnova in gutem Kontakt stehen und die Zusammenarbeit bzw. die gemeinsame, aufeinander abgestimmte Nutzung der Infrastruktur in Liechtenstein anstreben. Heute, gut ein Jahr später, stellt sich heraus, dass eine Konkurrenzstrategie gefahren wurde und gegeneinander gearbeitet wird. Kostbare Zeit und Ressourcen wurden nicht genutzt, gute Fachleute im Gesundheitswesen werden verheizt, weil diese sich nicht auf ihre Arbeit konzentrieren können, sondern sich mit dem demoralisierenden Hick-Hack beschäftigen müssen.

Der Profiteur ist das Ausland, Liechtenstein verliert. Im Landesspital sollen angeblich nicht nur die Fallzahlen, sondern auch die Ärzte fehlen. Das Ganze ist ein Musterbeispiel dafür, wie ein Wirtschaftszweig zugrunde gerichtet werden kann.

Leistungsfähigkeit besser nutzen
Unsere Ärzte, zusammen mit Spezialisten aus dem Ausland, kombiniert mit der besten Infrastruktur, die hier im Lande verfügbar ist, können in ihren Fachgebieten genauso gute Leistungen erbringen wie ihre Kollegen jenseits der Landesgrenzen. Vieles kann nicht im Land gemacht werden, aber das, was geht, sollte hier gemacht werden. Die Uneinigkeit zwischen der Medicnova und dem Landesspital führte dazu, dass die Ärzte der Medicnova und andere bedauerlicherweise ihren Patienten das Spital Grabs empfehlen. Jetzt bezahlt der Steuerzahler doppelt, 55% an die Spitalrechnung aus Grabs und dazu noch Millionen für die nicht ausgelasteten Kapazitäten im Landesspital. Dazu kommt, dass die Fallzahlen in Liechtenstein reduziert werden. Für eine Rentabilität und gute Behandlung sind ausreichende Fallzahlen notwendig. Ein Arzt der regelmässig die gleichen Operationen durchführt, hat einfach mehr Erfahrung und Routine.

Investitionen überlegen
Bevor erneut investiert wird, muss wirklich zuerst eine Standortbestimmung gemacht werden. Bevor investiert wird, muss geprüft werden, ob die Investition sich rechnet: Besteht Bedarf, wie stark ist die Konkurrenz? Die Interpellation der VU stellt zu diesem Thema wichtige Detailfragen. Wobei klar ist, ein Grundversorger muss auch Investitionen tätigen, die sich nicht rechnen, um beispielweise die Versorgungssicherheit in Extremsituationen oder im Bereich der Alterspflege sicherzustellen. Diese beiden Arten von Investitionen, – wirtschaftliche Interessen und Versorgungsicherheit – müssen auseinandergehalten werden. Es ist auch durchaus sinnvoll, nicht alles über die Krankenkassenprämien abdecken zu wollen, sondern auch Steuergelder einzusetzen, aber bestimmte Behandlungen, wie z.B. heute die Zahnbehandlungen, nicht der Allgemeinheit in Rechnung zu stellen.

Nicht gegeneinander, sondern miteinander
Aus meiner Sicht müssen sämtliche vorhandenen Kapazitäten und Angebote inkl. Spezialitäten, sowohl der Arztpraxen als auch der Spitäler summiert werden, um in der Stärke der Gemeinsamkeit im hart umkämpften Gesundheitsmarkt gegen die Anbieter ausserhalb unserer Grenzen bestehen zu können. Es darf nicht sein, dass das Landesspital und die Medicnova sich gegenseitig Steine in den Weg legen und dazu noch innerhalb des Landes den in den Gemeinden ansässigen Ärzten ambulante Behandlungen wegnehmen.

Um die entstandenen Kapazitäten nutzen zu können, stehen meiner Ansicht nach nicht Investitionen, sondern die Image-Pflege im Vordergrund, um liechtensteinische, aber auch Patienten aus den Nachbarstaaten zur Behandlung in Liechtenstein zu gewinnen. Der Markt innerhalb von Liechtenstein genügt nicht, um die Leistungsfähigkeit der aufgebauten Gesundheitsversorgung voll auszulasten. Mit einer Konzentration allein auf den Markt in Liechtenstein besteht die Gefahr einer Mengenaufweitung auf Behandlungen, die nicht unbedingt notwendig sind. Das ist aus Sicht der Prämien- und Steuerzahler unbedingt zu vermeiden.

Einzugsgebiet vergrössern
Die Kliniken im Unterland haben bereits mit österreichischen Versicherungen Verträge abgeschlossen und behandeln auch Patienten aus Österreich. Das ist aber noch zu wenig. Es müssen mit allen verfügbaren Kommunikationsmitteln die Stärken unseres bestens ausgebauten Gesundheitsstandortes nach aussen getragen werden. Die liechtensteinischen Gesundheitsversorger haben freie Kapazitäten und bieten das Beste an Versorgung und Qualität basierend auf neuestem Wissen in ihren Fachgebieten.

Paradox
Geburtenstation: Das Landesspital brauchte eine Unterstützung vom Staat von CHF 2,5 Mio. Der Grund, zu tiefe Auslastung. Die Geburtenstation ist in die Schweiz ausgelagert worden und nun fehlt bei uns die Auslastung. Viele stört, dass bei ihrem Kind Geburtsort Schweiz eingetragen werden muss. Die liechtensteinischen Hebammen die nunmehr in Grabs arbeiten (müssen), weil bei uns die Geburtenstation aufgelassen wurde, müssen ab Januar 2018 in der Schweiz die Steuer bezahlen, obwohl sie in Liechtenstein wohnen. Diese Steuer könne bis zu 20% des Monatslohnes sein. Nicht nur Steuern, mit jeder Auslagerung geht auch Wissen der involvierten Personen, Ausbildungsplätze und die Wertschöpfung der Zulieferer, das mitverdienende Umfeld verloren.

Auslagerung mindert Wertschöpfung im Land
Die Abgeordneten Gunilla Marxer-Kranz (VU), Johannes Kaiser (FBP), Ado Vogt (du) und Herbert Elkuch (du) erarbeiteten gemeinsam zu obigem Thema eine Interpellation, die, von weiteren Abgeordneten mit unterzeichnet, der Regierung zur Beantwortung überwiesen wurde. Die Interpellation umfasst Fragen im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Betrieben, zur Besteuerung der Grenzgänger, zum Geldfluss zwischen Liechtenstein und der Schweiz, zur Geburtenstation, zur Arbeitslosenversicherung, zur Ausbildung in medizinischen Berufen, zur Rentenbesteuerung für Grenzgänger und weitere Fragen, die im Kontext mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in öffentlich-rechtlichen Betrieben wie Spitäler und Schulen stehen. Mehr Details in einem späteren «hoi du».

Den eigenen Wirtschaftskreislauf stärken
Der Trend der verstärkten Nutzung der Spitäler ausserhalb des Landes führt zu grossem Verlust für den Staat, die Wertschöpfung aus Prämien- und Steuergeld geht in Millionenhöhe verloren. Diesem Trend muss entgegengewirkt werden. Nicht durch eine Einschränkung der freien Spitalwahl, sondern durch die Attraktivitätssteigerung unserer Spitäler. Als kleines Land sind wir immer auf spezialisierte Institutionen im Ausland angewiesen. Aber das, was in unserem Land in gleicher Qualität gemacht werden kann, sollte viel stärker genutzt werden.

Es bleibt zu hoffen, dass das Gesundheitsministerium, alle Ärzte im Lande und die Spitäler, trotz des in der Vergangenheit zerbrochenen Geschirrs, endlich gemeinsam handeln und so dem Gesundheitsstandort Liechtenstein mit der Kraft der Gemeinsamkeit neue Horizonte eröffnen. Es gilt mit kostenbewusstem Denken und Handeln eine gemeinsame Strategie, eine Strategie mit der alle ihre Bewegungsfreiheit beibehalten können, zu entwickeln, um zum Wohle der ganzen Bevölkerung die volle Wertschöpfung hier im Land zu behalten.

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