KVG-Revision: Es ist Zeit, neue Wege zu suchen

Mit den hohen Steuereinnahmen im letzten Jahrzehnt konnten die Gesundheitskosten mit Staatsbeiträgen grosszügig subventioniert werden. Jetzt – die Steuereinahmen sind eingebrochen – schreibt der Staatshaushalt tiefrote Zahlen. Mitverantwortlich für die roten Zahlen sind auch die sehr hohen Staatsbeiträge für die Gesundheitskosten. Mittlerweile finanzieren nämlich der Staat und die Arbeitgeber zusammen etwa mit 60-65% und die Versicherten etwa mit 35-40% die Gesamtkosten. Durch die Unterdrückung der Kostenwahrheit spürte der Versicherte bisher nicht, dass die Kosten im Gesundheitswesen in Wirklichkeit schon längst weit über das Schweizer Niveau gestiegen sind. Die Regierung schlägt zur Eindämmung der steigenden Kosten und zur Kompensation der kleineren Staatsbeiträge eine Erhöhung des Selbstbehaltes vor. Damit soll das Kostenbewusstsein der Versicherten geweckt und längerfristig ein überlegterer Umgang mit Behandlungen und Medikamenten erreicht werden.

Auswirkung des höheren Selbstbehaltes
Die Tabelle zeigt eine deutliche Verbilligung der Belastung bei kleinen Gesundheitskosten. Bei hohen Leistungsbezügen, vor allem bei älteren Personen und chronisch Kranken, wird es hingegen teurer als bisher. Eingeräumt wird, dass Rentner, chronisch Kranke und andere, die finanziell bedürftig sind, einen Antrag für Rückerstattung stellen können. Die Bedürftigkeit und damit das Anrecht auf finanzielle Unterstützung für den Einzelnen wird dann individuell nach Prüfung der finanziellen Verhältnisse festgelegt werden, so steht es im Vernehmlassungsbericht auf Seite 44.

Bedenken
Der Punkt «individuell nach Prüfung der finanziellen Verhältnisse» verunsichert viele Pensionisten, die ein eigenes Zuhause durch lebenslange Arbeit und Sparsamkeit erarbeitet haben. Sie verfügen oft in der Rente nur über ein kleines Einkommen. Bedenken, dass mit der individuellen Prüfung das Vermögen berücksichtigt und dann zuerst auf dieses zugegriffen wird und somit  keinerlei Unterstützung erhalten, sind berechtigt. Es sei zu befürchten, dass der Mittelstand unserer Gesellschaft zerstört wird. Eine sozialistisch geprägte Grundhaltung –  «alles gehört allen» – greift immer mehr um sich. Eine Komponente, die diese Grundhaltung unterstützt, obwohl diese mit der Krankenkasse nichts zu tun hat, ist unser grosszügig ausgestaltetes Sozialsystem: Dank dessen Grosszügigkeit können zum Teil schon Familien in zweiter Generation gut leben, ohne dafür angemessen zu arbeiten.

Absicht der Regierung
Der Ansatz der Regierung zu diesem Punkt ist, dass Prämienzahler der arbeitenden Bevölkerung mit kleinem Einkommen die  gut verdienende Oberschicht nicht mehr via hoher Prämie unterstützen muss. Reiche Rentner und chronisch Kranke, welche die Kostenbeteiligung von zukünftig vorgesehenen max. 1‘400 pro Jahr locker bezahlen können, bräuchten keine Unterstützung mit Geldern von der Allgemeinheit. Wieso sollten Familienväter mit einem geringen Einkommen  hohe Prämien bezahlen, damit ein reicher pensionierter Bankdirektor nur die halbe Kostenbeteiligung oder ein chronisch kranker Anwalt mit hohem Vermögen keine Kostenbeteiligung bezahlen muss? Rentnern, chronisch Kranken und anderen, die erwiesenermassen finanziell bedürftig sind, wird weiterhin auf Antrag die angefallene Kostenbeteiligung in vollem Umfang von den AHV- und IV-Ergänzungsleistungen beziehungsweise vom Amt für Soziale Dienste vergütet.

Folgerung
Ich meine, der Ansatz der Regierung hat seine Berechtigung und darf nicht komplett in den Wind geschlagen werden. Es muss aber auch verhindert werden, dass der Mittelstand unter die Räder kommt. Zwischen den Rentnern, die mit Fleiss und Sparsamkeit ein kleines Vermögen aufbauten, und denen, die während des Erwerblebens nichts auf die Seite brachten, in den Tag lebten, oder einfach weniger arbeiteten, sollte schon ein Unterschied gemacht werden. Arbeiten muss sich lohnen.

Der Staat muss an der Schaffung von privaten Vermögen und an einem breiten Mittelstand, auch im Hinblick auf zukünftige Generationen, interessiert sein und gebührend honorieren. Vielleicht sollte ein bestimmter Freibetrag für Vermögenswerte erlaubt sein.

Die Menschlichkeit darf bei einer Neuregelung nicht auf der Strecke bleiben.

Hohe Kosten in FL
Die Liechtensteiner nehmen die Dienstleistungen im Gesundheitswesen besonders stark in Anspruch und gehen jährlich 9.2 mal zum Arzt. Die Schweizer hingegen im Durchschnitt nur 4 mal. Halb so viel Patienten brauchen auch nur etwa halb so viele Ärzte. Wenn man die Zahlen in der Graphik, vor allem die Laborleistungen vergleicht, darf man sich über die hohen Prämien nicht mehr verwundern. Um in Liechtenstein ähnlich niedere Zahlen auch nur annähernd zu erreichen, müssen alle – die Patienten, Ärzte und Laboratorien – um einiges kürzer treten. Kostenbewusstes Denken und Handeln zu fördern, ist ein Ziel der Revision des Krankenkassengesetzes.

Tiers garant (Rechnung direkt an Patient)
Ein weiterer Vorschlag der Regierung mit dem Ziel, das  Kostenbewusstsein zu stärken, geht dahin, die Arztrechnung direkt dem Patienten zu schicken. Die Rechnung soll dabei auch für Laien und ältere Patienten verständlich sein. Es ist also der Patient, der die Rechnung auf deren Richtigkeit kontrolliert und bezahlt, sofern die Rechnung in Ordnung ist. Der Patient kann seinerseits seine Auslagen für die ärztliche Behandlung bei der Krankenkasse im Rahmen seiner zustehenden Ansprüche geltend machen und muss keine Vorleistung erbringen. Grund für den vorgeschlagenen Systemwechsel ist, dass die Krankenkasse eigentlich keine wirksame Kontrolle über die tatsächlich erbrachten Leistungen durchführen kann, weil nur der Patient und der Arzt über die effektiv bezogenen Behandlungen und Medikamente Bescheid wissen. Dieses Ansinnen der Regierung wird heftig und kontrovers diskutiert. In der Schweiz sind mit diesem Abrechnungssystem bisher sehr gute Erfahrungen gemacht worden: Es brachte einen nachweisbar kostendämmenden Effekt zum Vorteil der Versicherten. Ich meine, mit dem «Tiers garant», so nennt sich dieses System, ist die Regierung auf dem richtigen Weg.

Medikamente
Ein weiteres kostentreibendes Element sind die teuren Medikamente. Letztes Jahr musste die Krankenkasse für über 23 Mio. Medikamentenrechnungen bezahlen. Die Regierung schlägt Festpreise für Medikamente vor. Die Festpreise orientieren sich an günstigen Medikamenten (Generika) mit den gleichen Wirkstoffen. Wer Markenprodukte will, muss den Aufpreis selbst bezahlen, ausser es gibt keine Alternative. Die Graphik oben zeigt die enormen Preisunterschiede bei Cholesterinsenkern. In diesem Bereich sollten hohe Kosteneinsparungen möglich sein, ohne wesentliche Einbusse an Qualität. Ärzte und Apotheker haben mit diesem Vorschlag sicher keine Freude, weil die Gewinnmarge mit diesen Medikamenten kleiner wird.

Fehlende Punkte in der Vernehmlassung
Die folgenden zwei Punkte, die ich in der Landtagssitzung im Dezember 2013 angeschnitten habe, sind in der Vernehmlassung nicht berücksichtigt.

A) Vorsorgliche Arztbesuche
Die kostenlosen Vorsorgeuntersuchungen sollen beibehalten werden.

Das bringt nicht nur Vorteile. Diejenigen, die selten zum Arzt gehen und diese Gratis-Vorsorgeuntersuchungen gerade auch noch auslassen, müssen, wenn sie dann doch einmal zum Arzt gehen und bei dieser Gelegenheit ein paar relevante Werte vorsorglich feststellen lassen, das Ganze im Rahmen der Franchise und des Selbstbehaltes selbst bezahlen.

Beim ständig Kränklichen sind die wichtigsten Werte ohnehin bekannt, im Vorsorgeuntersuch können diese noch einmal gratis auf Kosten der Allgemeinheit ermittelt werden.

Eine kostengünstigere und effektivere Vorsorge, meine ich, könnte mit einem Freibetrag, vielleicht 100 Franken pro Jahr, für individuelle Vorsorgeuntersuchungen, gemacht werden. Nicht benutzte Freibeträge sollen gutgeschrieben und später kumuliert für die Vorsorge bezogen werden können.

Anzustreben wäre eine auf den Versicherten besser zugeschnittene Vorsorgeuntersuchung im richtigen Zeitpunkt nach festgelegten Kriterien mit Archivierung der festgestellten Werte. Gleichzeitig soll der Gefahr, dass wegen des hohen Selbstbehaltes aus Kostengründen körperliche Alarmsignale unterdrückt werden, entgegengewirkt werden.

Insgesamt müssten die Kosten bei gleicher Effizienz kleiner werden, wenn nicht, kann das bisherige System belassen werden.

B) Patientenverfügung
Die zunehmende Überalterung erfordert mehr und längere Spitalaufenthalte. Oft sind keine Patientenverfügungen vorhanden bezüglich lebensverlängernder Massnahmen. Wieweit teure Operationen und kostspielige Intensivaufenthalte für Todgeweihte gemacht werden sollen, um das Leben mit wenig bis gar keiner Lebensqualität etwas zu verlängern, ist eine ethische Frage und schwierig zu beantworten. Zu diesem Thema, Patientenverfügung und lebensverlängernde Massnahmen, ist in der 163-seitigen Vernehmlassung nichts erwähnt. Ich bin der Ansicht, dass dieses Thema ebenfalls angesprochen werden sollte.

Zur Vernehmlassung
Zur Vernehmlassung kann jedermann eine Stellungnahme für die Beratung im Landtag bei der Regierung einreichen. Die du-Fraktion wird eine sachliche Stellungnahme einreichen und nimmt Ihre Anregungen gerne entgegen. Vernehmlassung anfordern: Tel. 236 60 18.

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