Radio-Privatisierungsinitiative: Ein Nachtrag zur Abstimmung vom 27. Oktober 2024 und ein Ausblick
Am 27. Oktober 2024 fand eine denkwürdige Abstimmung statt: Es ging um die Aufhebung des Gesetzes über den öffentlichen Rundfunk.
Was viele bis zuletzt nicht für möglich gehalten haben, trat ein: Die Volksinitiative wurde mit mehr als 55.4 % JA-Stimmen angenommen. Dass ein Land den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschafft, ist nicht alltäglich und für Aussenstehende nicht so einfach nachvollziehbar. Deshalb ein kleiner Rückund Ausblick.
WARUM KAM ES ZU DIESER ABSTIMMUNG UND ZUR KLAREN ZUSTIMMUNG?
Die vielen Jahre der Misswirtschaft bei Radio L, der Nachtragsund Notkredite, enormen Kostensteigerungen, personellen Streitereien und Gerichtsverfahren, immer schlechter werdenden journalistischen Leistungen etc. Haben gemäss dem Wahlresultat bei der Stimmbevölkerung Spuren hinterlassen. Die DpL brachte bereits 2018 eine Motion zur Privatisierung des Radios in den Landtag ein. Jedoch wurde diese Motion von keiner anderen Partei unterstützt. Trotz dieses Winks mit dem Zaunpfahl ging
es beim Rundfunksender im gleichen Stil weiter. Die Kosten für den Steuerzahler stiegen und die Leistung nahm weiter ab. Der Umzug in neue, viel teurere Räumlichkeiten an bester Lage brachte den Sender zwar mehr ins Zentrum des Landes an eine viel frequentierte Strasse, entfernte ihn aber noch weiter von der Bevölkerung.
WAS TATEN REGIERUNG UND RADIO L NACH 2018?
Nichts. Offenbar schenkte man der eingebrachten Privatisierungsmotion der DpL-Abgeordneten keine Achtung. Es ging kein Ruck durch den Radiosender.
Auch wurde die Teppichetage nicht reorganisiert. Die Kosten stiegen weiter und die Hörerzahlen sanken so weiter.Ohne ausgewiesene Hörerzahlen ist es jedoch schwierig oder fast unmöglich, bezahlte Werbung zu verkaufen. Werbekunden wollen wissen, wofür sie ihr Geld ausgeben.
REGIERUNG HAT NICHT MIT DER ENTSCHLOSSENHEIT DER DPL GERECHNET
Und was tat die Regierung als Oberaufsicht von Radio L nach 2018? Ebenfalls nichts oder zumindest nicht das Richtige. Vielmehr liess sie das Radio gewähren und störte sich auch nicht daran, dass dieses dem gesetzlichen Auftrag immer weniger nachkam. Fakt ist, dass die Regierung eine klare Mitverantwortung für das Zustandekommen der Volksinitiative hat. Offenbar hatte sie die Situation falsch eingeschätzt und nicht mit der Entschlossenheit der DpL gerechnet
HAUPTGRÜNDE FÜR DIE ZUSTIMMUNG ZUR PRIVATISIERUNGSINITIATIVE?
Die wesentlichen Gründe, warum die Privatisierungsinitiative vom Stimmvolk an
genommen wurde, waren sicherlich der geringe Anteil an Hörern, die schlechte Qualität des Programms und die hohen Kosten. Die Radio-L-Nichthörenden und diejenigen, die das Radio schlecht beurteilten, stimmten der Initiative zu. Auch spielte es eine Rolle, dass der Rundfunk in Zukunft 70 % der gesamten Medienförderung erhalten sollte.
WELCHE ROLLE HABEN DIE ABSTIMMUNGSEMPFEHLUNGEN GESPIELT?
Erfreulicherweise wurden die Stimmempfehlungen der beiden Grossparteien nur teilweise befolgt. Während die FBP-Wähler die Initiative klar ablehnten (62 : 38), nahmen die VU-Anhänger die Initiative knapp an (52 : 48). Hier zeigt sich, dass eine klare Mehrheit in Sachabstimmungen ihr eigenes Urteil fällt.
Wenig erstaunlich lehnten die FL-Anhänger die Initiative klar ab (68 : 32), während die DpL-Anhänger die Initiative fast unisono befürworteten (94 : 6). Hier spiegeln sich auch die ideologischen Differenzen zwischen der DpL und der FL wider. Die DpL nimmt eine liberale Haltung ein, fordert einen schlanken Staat und setzt auf Eigenverantwortung,
WIE SOLL ES NUN WEITERGEHEN?
Die Regierung hüllt sich in Schweigen. Jetzt fehlt ihr die Zeit, die sie mit der hinausgeschobenen Behandlung der Volksinitiative, die bereits am 5. März 2024 eingereicht wurde, vertrödelt hat. Bis zum 1. Januar 2026 muss nun eine Lösung her. Zu berücksichtigen ist dabei der Wählerwille. Die Mehrheit der Abstimmenden findet CHF 4 Mio. pro Jahr zu viel Geld für einen Radiosender. Auch der Anteil derer, die sich eine Medienlandschaft ohne Radiosender vorstellen können, ist mit 47 % sehr hoch. Siehe nicht-repräsentative Umfrage des Vaterlands (1624 Teilnehmende).
VORSTELLUNG DER DPL
Die DpL hat schon verschiedentlich ihre Vorstellungen kundgetan. Grundsätzlich kommt ein Konzessionssystem nach Schweizer Vorbild in Frage. Dort werden Konzessionen mit staatlicher Förderung alle 10 Jahre neu ausgeschrieben, wobei die Erfüllung des Leistungsauftrags durch eine neutrale Stelle geprüft wird. Wichtig ist, dass ein vom Steuerzahler gefördertes Medium zur Neutralität, Ausgewogenheit, Vielfalt und objektiven Berichterstattung verpflichtet ist. Geld darf es nicht allein auf Basis des Personalaufwands geben. Es muss auch der Output (Leistung) berücksichtigt werden. Dazu bedarf es einer Anpassung des Gesetzes zur Medienförderung.
Wichtig ist auch, dass Synergien zwischen den verschiedenen Medienkanälen genutzt werden. Wenn ein Medium so aufgestellt werden kann, dass es die vierte Gewalt im Staat tatsächlich spielt, braucht es auch nicht unbedingt mehrere Online-Angebote.
DAS MEDIENFÖRDERUNGSGESETZ IST ANZUPASSEN
Leider zeigt die Medienministerin noch keine Absicht, das Medienförderungsgesetz grundlegend neu auszurichten. Stattdessen begnügt sich Regierungsrätin Monauni mit dem bekannten Allheilmittel, allen Medienunternehmen mehr Geld zufliessen zu lassen. Hauptprofiteurin wäre das bereits stärkste Medienunternehmen des Landes, das CHF 442’910 zusätzlich pro Jahr erhalten würde. Die Notwendigkeit dieses Zustupfes ist nicht abgeklärt und keine weiteren Verpflichtungen damit verbunden sind.
DPL AUCH OFFEN FÜR ANDERE IDEEN
Reinhard Walser, ehemaliger Chefredakteur des Vaterlands und Arthur Gassner haben in einer Petition Ideen eingebracht, die prüfenswert sind. Sie sehen das Fernsehen und die Online-Berichterstattung als die wichtigsten Medien zur Stärkung der Demokratie und der Identität eines Volkes an. Sie schlagen die Gründung einer öffentlich-rechtlichen Medienagentur vor, in die auch das heutige Radio L integriert werden könnte.
«VATERLAND» ZUKÜNFTIG ALS FORUMSZEITUNG?
Nach den Vorstellungen von R. Walser sollte das «Vaterland» zukünftig als Forumszeitung dienen. Er ist ebenso wie die DpL der Auffassung, dass die Regierung mit dem Vaduzer Medienhaus eine Leistungsvereinbarung abschliessen sollte, die das «Vaterland» zur Informations-, Meinungsbildungssowie Kritikund Kontrollfunktion verpflichten müsste. «Vor allem müssten alle politischen Bewegungen, Ideen, Entscheide und Vorstellungen aller politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen behandelt werden» (Leserbrief vom 13. Juni 2024).
Es ist anzunehmen, dass auch eine Mehrheit der Bevölkerung sich diesen Vorstellungen anschliessen könnte. Es fehlt jetzt nur noch der Wille der Regierung und des Landtags, diesen Weg einzuschlagen.
Die VU als staatstragende Partei sollte sich aus Staatsräson überlegen, ob jetzt nicht der Zeitpunkt gekommen ist, sich vom Medienhaus zu trennen und eine neue Trägerschaft zu installieren, in welcher alle Interessensgruppen vertreten sein könnten.
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