Trennung von Staat und Kirche
Gemäss moderner Staatsauffassung soll sich der Staat in Religionsangelegenheiten neutral verhalten. Mit der von der Regierung vorgeschlagenen Gesetzesrevision zur Entflechtung von Staat und Kirche sollen beide Seiten, d.h. Staat und Religionsgemeinschaften, die für ihre jeweilige Entfaltung nötige Autonomie haben, ohne jedoch eine Zusammenarbeit zum Wohle des Gemeinwesens auszuschliessen. Die individualrechtliche Gewährleistung der Religionsfreiheit im negativen Sinn bedeutet auch, den Einzelnen vor Inanspruchnahme durch Kirchen und Religion zu schützen, denen er nicht angehören will.
Aufgrund dieser Sachlage ist es bereits seit vielen Jahren ein Anliegen der Regierung, eine Trennung von Kirche und Staat auf Verfassungs- und Gesetzesebene zu erreichen. Zu diesem Zweck beabsichtigt die Regierung, folgende rechtliche Bestimmungen zu ändern oder neu zu erlassen:
- Verfassung
- Religionsgemeinschaftengesetz
- Vertrag zwischen Liechtenstein und dem Vatikan zur Regelung von vermögensrechtlichen Fragen (Konkordat)
Zu 1.) Verfassungsänderung
Der Bezug auf die römisch-katholische Kirche als Landeskirche in Art. 37 Abs. 2 der Verfassung soll durch eine neutrale Formulierung (Religionsgemeinschaften) ersetzt werden. Damit soll es auf Verfassungsebene keine Unterscheidung zwischen Religionsgemeinschaften mehr geben. Alle Religionsgemeinschaften, die staatlich anerkannt sind, haben die gleichen Rechte.
Zu 2.) Das Religionsgemeinschaftengesetz (RelGG)
Der zweite Pfeiler der geplanten Gesetzesänderungen ist das Religionsgemeinschaftengesetz (RelGG). In diesem wird das Verhältnis des Staates zu den Religionsgemeinschaften, die staatlich anerkannt sind, ganz allgemein geregelt. Die wichtigsten Punkte des Religionsgemeinschaftengesetzes sind:
1. Staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften gemäss RelGG sind von Beginn weg:
- die römisch-katholische Kirche
- die evangelische Kirche und die
- die evangelisch-lutherische Kirche.
2. Die Rechte der staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften sind:
- sie dürfen Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen erteilen (Art. 5 RelGG);
- die Lehrpersonen werden zwar von der jeweiligen Religionsgemeinschaft bestimmt, sind jedoch beim Schulamt angestellt (Art. 5 RelGG).
- die Religionsgemeinschaften haben das Recht der Ausübung der Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen (Anstalten, Krankenhäuser, Heimen). Sie haben freien Zugang zu ihren Gläubigen in ihren Anstalten und Einrichtungen.
- als staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft gelangt diese in den Genuss von staatlicher Unterstützung.
3. Die Voraussetzungen für die Anerkennung als staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft sind (Art. 7 RelGG):
- Die Religionsgemeinschaft muss mindestens 20 Jahre lang im Inland gewirkt haben.
- Sie muss eine stabile Organisationsstruktur und mindestens 200 Mitglieder haben, die im Inland wohnen.
- Die Religionsgemeinschaft muss die Rechtsordnung respektieren.
4. Die Finanzierung der Religionsgemeinschaften erfolgt über eine so genannte Mandatssteuer, die 2% des Steueraufkommens des Landes und der Gemeinden aus der Erwerbs- und Vermögenssteuer der natürlichen Personen entspricht (Art. 15 & 16 RelGG). Die Berechnung erfolgt dabei auf Basis eines einheitlichen Gemeindesteuerzuschlages von 200 %.
Zur jetzigen Finanzierung der Kirche und des Religionsunterrichts
Im Durchschnitt der letzten Jahre haben die Gemeinden ca. Fr. 5.6 Millionen jährlich an die katholische Kirche für deren laufende Kosten (Personal, Betriebskosten, usw.), inklusive der Kosten für den Religionsunterricht auf Primarschulebene, bezahlt. Darüber hinaus tragen die Gemeinden noch die Kosten für die Instandhaltung zahlreicher kirchlicher Gebäude (Kirchen, Kapellen, Pfarrhäuser). Dafür werden durchschnittlich ca. Fr. 1.5 Millionen pro Jahr ausgegeben. Zusammengenommen betragen die Kosten also ca. Fr. 7 Millionen jährlich.
Derzeit beträgt der Landesbeitrag an die Religionsgemeinschaften jährlich ca. Fr. 350‘000. Dazu kommen noch Kosten für den Religionsunterricht in Höhe von ca. Fr. 300‘000.
Kritische Punkte des Religionsgemeinschaftengesetzes
Es muss damit gerechnet werden, dass neben den oben erwähnten Religionsgemeinschaften noch weitere die staatliche Anerkennung erlangen werden. Alle Religionsgemeinschaften haben das Recht, an den öffentlichen Schulen Religionsunterricht zu erteilen. Zu bezahlen sind diese Lehrkräfte jedoch von der öffentlichen Hand. Sollten in naher oder ferner Zukunft beispielsweise 5 Religionsgemeinschaften staatlich anerkannt sein, dann werden auf den Staat deutliche Kostensteigerungen für den Religionsunterricht zukommen.
Zu hinterfragen ist auch die Finanzierung der Religionsgemeinschaften aus dem allgemeinen Steuertopf. In Anbetracht des defizitären Staatshaushalts ist eine Finanzierung im Rahmen einer Kirchensteuer wie in der Schweiz oder Österreich vorzuziehen. Damit verblieben dem Staat mehrere Millionen Franken in der Kasse. Auch Fürst Hans-Adam II. hat sich in einem Interview dafür ausgesprochen, dass die Religionsgemeinschaften sich über Spenden finanzieren.
Eine Finanzierung der katholischen Kirche quasi über eine «Zwangsabgabe» ist auch mangels eines demokratischen Mitbestimmungsrechts der Katholiken im Bistum abzulehnen. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die gewählte Art der Finanzierung nicht zuletzt den Grund hat, Angehörige einer bestimmten Religionsgemeinschaft vom Austritt abzuhalten.
Es muss noch erwähnt werden, dass das Religionsgemeinschaftengesetz vom letzten Landtag im Dezember 2012 bereits verabschiedet wurde. Ein Inkrafttreten dieses Gesetzes und des Konkordats kann nur dadurch verhindert werden, dass der Landtag der geplanten Verfassungsänderung nicht zustimmt.
Zu 3.) Das Konkordat
Bereits zu reden gegeben haben die «ausgedehnten“ vermögensrechtlichen Regelungen, die im «ausgehandelten“ Vertrag zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und dem Heiligen Stuhl aufgestellt sind (Artikel 17 – 21). Mit der Regelung gemäss Art. 19 hat die katholische Kirche das unbefristete, alleinige und unumschränkte Verfügungsrecht über die im Eigentum einer Gemeinde oder einer Bürgergenossenschaft stehenden Kirchen und Kapellen. Die Benutzung der Kirchen und Kapellen durch Vereine, zum Beispiel einem nicht-kirchlichen Chor, oder für eine Trauung einer anderen christlichen Religionsgemeinschaft muss daher auf Basis des Wortlauts des Konkordats durch die katholische Kirche nicht gestattet werden.
Der bauliche Unterhalt der Aussenhülle von Kirchen und Kapellen, auch von solchen, die nicht im Besitz der Gemeinden oder Bürgergenossenschaften sind, fällt in die Zuständigkeit der jeweiligen Gemeinde oder Bürgergenossenschaft (Art. 19, Abs. 2 und 3). In die Zuständigkeit der katholischen Kirche fallen der betriebliche und der bauliche Unterhalt der Innenräume.
Gemäss Art. 20 Abs. 1 werden die im Eigentum der Gemeinden Liechtensteins stehenden Pfarr- und Kaplaneihäuser zur eigenen, unbefristeten, unentgeltlichen, alleinigen und unbeschränkten Nutzung überlassen. Deren Unterhalt (aussen wie innen) fällt in die Zuständigkeit der katholischen Kirche. Eine unbefristete und unentgeltliche Nutzungsüberlassung der Pfarr- und Kaplaneihäuser entspricht faktisch einer Vermögensübertragung. Nach meinem Dafürhalten gibt es keinen plausiblen Grund, einer solchen Regelung zuzustimmen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die vermögensrechtlichen Abmachungen nur in gegenseitigem Einvernehmen kündbar sind. Wenn die katholische Kirche also nicht einverstanden ist, dann gelten diese Regelungen bis zum «jüngsten Tag».
Das bewegliche Vermögen der Kirchen, Kapellen, Pfarr-und Kaplaneihäuser wäre gemäss Art. 20 an die katholische Kirche zu übertragen.
Mit dem gegenseitigen Vorkaufsrecht für die Kirchen, Kapellen, Pfarr- und Kaplaneihäuser für den symbolischen Betrag von Fr. 1.00 entledigt man sich dann definitiv jeglicher Vermögensrechte (Art. 21).
Neben den vermögensrechtlichen Aspekten gibt es jedoch noch weitere Punkte, denen Beachtung geschenkt werden sollte:
Auf Antrag des Erzbischofs von Vaduz sind der Erzdiözese Aufenthaltsbewilligungen für ausländisches Personal zu bewilligen. Dieses muss nicht zwangsläufig für die Pfarreien bestimmt sein, sondern kann irgendwelchen Organisationen des «apostolischen Lebens» angehören. Weder das Land, das Schulamt noch die Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der katholischen Kirche haben einen Einfluss auf die Bestellung der an den öffentlichen Schulen unterrichtenden Lehrpersonen (Art. 10).
Wenn die katholische Kirche den Anteil am Steueraufkommen als «unzumutbar» auffasst, kann die paritätische Kommission mit dieser Frage befasst werden. Dies bedeutet doch nichts anderes, als dass die staatlichen Beiträge an die katholische Kirche in einem solchen Fall zu erhöhen wären.
Die Arbeitsverträge mit den derzeit unterrichtenden Personen an den liechtensteinischen Schulen müssen durch die katholische Kirche nicht übernommen werden (siehe Art. 27 Abs. 3).
Beim Lesen des ausgehandelten Konkordats kommt unweigerlich die Frage hoch, ob der Vertrag ausgehandelt oder diktiert wurde. Auf jeden Fall ist der Inhalt des Konkordats unausgewogen. Bei den Gemeinden, die dem Konkordat bisher zugestimmt haben, muss man sich fragen, was wohl deren Beweggrund gewesen sein mag. Ein «Zückerchen» ist mit Sicherheit, dass die Kosten für den Religionsunterricht in Zukunft durch das Land bezahlt werden wird. Daraus ergibt sich eine finanzielle Entlastung der Gemeinden, jedoch eine Belastung des Landes. Für den rational denkenden Bürger kann dies jedoch nicht den Ausschlag geben.
Für die Angehörigen der katholischen Religionsgemeinschaft stellt sich zudem die Frage nach den demokratischen Mitbestimmungsrechten, denen in den gesetzlichen Regelungen überhaupt keine Beachtung geschenkt wurde nach dem Motto: «Zahlen schon, mitbestimmen nein!»
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