Vaterschaftsurlaub und Elternzeit – wie umsetzen?

Bis gut in einem Jahr muss Liechtenstein die Richtlinie (EU) 2019/1158 vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige umgesetzt haben.

Die Politik soll im Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zur Förderung der Geschlechtergleichstellung beitragen. Es soll eine gerechte Aufteilung von Betreuungs- und Pflegeaufgaben zwischen Männern und Frauen unterstützt werden. Im Weiteren soll die Bereitstellung zugänglicher und erschwinglicher Kinderbetreuung und Langzeitpflege miteinbezogen werden, so die EU-Richtlinie.

Nachstehende Vorgaben der EU sind national umzusetzen:

Vaterschaftsurlaub: 10 Tage anlässlich der Geburt. Die Richtlinie lässt auch einen Teilbezug vor der Geburt zu. Der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub ist nicht an eine vorherige Beschäftigungs- oder Betriebszugehörigkeitsdauer geknüpft. Die Bezahlung ist in der Höhe der Taggeldversicherung bei Krankheit auszurichten (80% des versicherten Lohnes). Der Anspruch auf eine Bezahlung kann von einer vorherigen Beschäftigungsdauer abhängig sein, jedoch maximal sechs Monate vor dem Geburtstermin des Kindes.

Elternurlaub: Jeder Arbeitnehmer hat einen eigenen Anspruch auf 4 Monate Elternurlaub; davon sind 2 Monate bezahlt und nicht zwischen den Elternteilen übertragbar. Der Elternurlaub ist vor dem achten Lebensjahr des Kindes zu beziehen. Die Bezahlung soll derart festgelegt werden, dass die Inanspruchnahme von Elternurlaub durch beide Elternteile erleichtert wird. Er kann in Absprache mit dem Arbeitgeber auch als flexibler Urlaub bezogen werden.

Urlaub für pflegende Angehörige: Arbeitnehmer haben das Recht, fünf Arbeitstage pro Jahr Urlaub für pflegende Angehörige zu nehmen. Die Inanspruchnahme dieses Rechts kann von einem geeigneten Nachweis, z.B. Arztzeugnis, abhängig gemacht werden. Es kann eine Bezahlung oder Vergütung festgelegt werden.

Arbeitsfreistellung aufgrund höherer Gewalt: Die Dauer der Freistellung kann auf eine bestimmte Zeitspanne pro Jahr oder pro Fall oder beides beschränkt werden.

Finanzierung, Vorgabe der EU: Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die den grössten Teil der Unternehmen ausmachen, verfügen unter Umständen über begrenzte finanzielle, technische und personelle Ressourcen. Bei der Umsetzung dieser Richtlinie sind keine administrativen, finanziellen oder rechtlichen Auflagen vorzuschreiben, die der Gründung und dem Ausbau von KMU entgegenstehen oder Arbeitgeber einer unverhältnismässigen Belastung aussetzen.

Die Regierung hat in einer Interpellationsbeantwortung geschätzt, dass für die Finanzierung der zusätzlichen Sozialleistungen jährlich bis zu CHF 30 Mio. notwendig werden könnten.

Weitsicht der DpL: Die DpL-Abgeordneten haben im Zusammenhang mit der Mutterschaftstaggeldversicherung bereits mehrere parlamentarische Vorstösse zur Besserstellung von kleinen Betrieben eingereicht, den ersten Vorstoss am 28.10.2016, also lange bevor die EU von Liechtenstein die Umsetzung des Schutzes der kleinen und mittleren Unternehmen verlangt hat. Bei einer Umsetzung der Vorschläge der DpL-Abgeordneten ist die Anforderung der umzusetzenden Richtlinie bis Herbst erfolgen perfekt erfüllt. Die Motionsbeantwortung durch die Regierung ist allerdings noch ausstehend.

In der DpL-Motion wurden Vorschläge unterbreitet, um Kleinbetriebe vor unverhältnismässig hoher Belastung im Zusammenhang mit Mutterschaft zu bewahren. Derzeit ist es nämlich so, dass beispielsweise bei Mutterschaft die Taggeldversicherung die Taggelder zwar vorstreckt, aber nachher über die Prämie die ausgezahlte Summe wieder
zurückholt, weil jeder Betrieb mit seinen Beschäftigten ein eigenes Versicherungskollektiv bildet. Am Ende des Tages ist der Kleinbetrieb also allein zuständig für die Kosten, für die er eigentlich nichts kann. Hinzu kommt noch das Fehlen der Arbeitskraft, für deren Ersatz er ebenfalls noch aufkommen muss. In einem Grossbetrieb verteilen sich
die Kosten durch Mutterschaft auf viele, in einem Kleinstbetrieb nur auf wenige Beschäftigte.

Der Vorschlag der DpL-Abgeordneten strebt für Leistungen bei Mutterschaft an, ein gemeinsames Kollektiv zu schaffen, damit sich die Kosten auf alle Betriebe verteilen. Auch der Pflegeurlaub könnte in dieses System integriert werden.

Ein solches System hat die Schweiz seit vielen Jahren mit der Erwerbsersatzordnung (kurz: EO). Diese wird wie die AHV/IV je hälftig von Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert. Aus der gemeinsamen Kasse der Erwerbsersatzordnung werden die Löhne bei Mutterschaft, Vaterschaftsurlaub und Militär- oder Zivildienst bezahlt (80% des AHV-Lohnes). Der einzelne Betrieb wird dadurch durch Familienzuwachs bei einem seiner Angestellten nicht stärker belastet, da alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Kasse der EO finanzieren. Als Auszahlungsmechanismus könnte hierzulande die Krankentaggeldversicherung dienen, damit, wie in der EU-Richtlinie verlangt, keine neuen administrativen Auflagen geschaffen werden.

Grenzgänger: Der grösste Teil der Arbeitnehmer in Liechtenstein sind Grenzgänger. Diese haben selbstverständlich genau gleich wie die inländischen Arbeitnehmer ein Anrecht auf die neuen Zulagen. Deshalb ist bei der Finanzierung zu berücksichtigen, dass Grenzgänger im gleichen Mass wie liechtensteinische Arbeitnehmer in die Finanzierung miteinbezogen werden. Mit dem System einer gemeinsamen Kasse, wie von der DpL mit den parlamentarischen Vorstössen gefordert, würden die Grenzgänger für ihren Anteil genau gleich wie die Inländer für ihren Anteil zur Finanzierung beitragen. Würde die Finanzierung hingegen über die Staatskasse abgewickelt, würden nur die inländischen Steuerzahler diese neuen Leistungen für alle Arbeitnehmer in Liechtenstein finanzieren

Höhere Lohnnebenkosten: Wenn die Grenzgänger, die rund 56%der Arbeitnehmer stellen, zur Finanzierung ihrer Anrechte einbezogen werden sollen, ist dies sehr wahrscheinlich nur über Lohnnebenkosten realisierbar, die von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen werden müssen.

Es ist zu erwarten, dass sich die LIHK gegen eine gemeinsame Kasse stellt, die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam finanziert wird. Wenn die LIHK eine Lösung vorschlagen kann, welche die Grenzgänger genau gleich wie die Inländer zur Finanzierung einbindet, sind wir selbstverständlich nicht dagegen.

Bisherige Leistungen bei Mutterschaft: Die bisherige Taggeldauszahlung bei Mutterschaft und auch die von der DpL lancierte Kostenbefreiung von der Franchise bleiben bestehen. Die neuen Familienleistungen, ausser der Urlaub für pflegende Angehörige, sind zusätzliche Sozialleistungen.

Nachteil für traditionelle Familien: Die oben angeführten neuen Leistungen sind immer an einen Arbeitsvertrag gekoppelt. Dadurch kann in einer Familie, wo nur ein Elternteil einer Beschäftigung nachgeht und der andere Elternteil den Haushalt und die Kinderbetreuung besorgt, auch nur ein Elternteil diese Familienleistungen beanspruchen. Der Elternteil, der vollamtlich die Kinderbetreuung und den Haushalt besorgt und mitunter auch Angehörige pflegt, hat kein Anrecht auf diese neuen Familienleistungen. Ebenso Beschäftigte, die einer Arbeit in der Schweiz nachgehen. Diese kennt seit dem 1. Januar 2021 lediglich einen bezahlten Vaterschaftsurlaub von 2 Wochen, der innerhalb von sechs Monaten ab Geburt eines Kindes zu beziehen ist.

In Liechtenstein ist das traditionelle Familienmodell verbreitet: Das heisst, die Fremdbetreuung in staatlich subventionierten Kitas wird nicht beansprucht, und auf einen Zweitverdienst wird verzichtet, um sich voll den Kindern und der Familie widmen zu können. Die DpL könnte sich vorstellen, mit einer erhöhten Geburtszulage für traditionelle Familien einen Ausgleich zu schaffen.

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