Initiative der Wirtschaftskammer: undurchdacht und teuer!

Mutterschaft: Die Ausgangslage
Im Falle einer Mutterschaft hat die Mutter per Gesetz Anrecht auf 20 Wochen bezahlten Mutterschaftsurlaub. Für die Lohnfortzahlung ist der Arbeitgeber verantwortlich und zwar ab dem 3. Tag (80% vom Lohn). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, eine Taggeldversicherung abzuschliessen, die spätestens ab dem 361.ten Tag die Taggeldzahlungen an den Arbeitgeber vergütet. Es ist dem Arbeitgeber freigestellt, eine Taggeldversicherung mit einer kürzeren Wartefrist (= Zeitspanne, bis die Taggeldversicherung einspringt) zu vereinbaren, z.B. 3 oder 14 Tage. Während der Wartefrist bezahlt ausschliesslich der Arbeitgeber. Solange der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung erbringt, werden darauf AHV-Beiträge erhoben. Auf die Taggelder der Taggeldversicherung werden jedoch keine AHV-Beiträge abgezogen.

Die Prämie für die Taggeldversicherung ist abhängig von der Wartefrist und der Inanspruchnahme (je kürzer die Wartefrist und je öfter die Taggeldversicherung einspringen muss, umso höher die Prämie). Weil in Liechtenstein jeder Betrieb versicherungstechnisch ein Kollektiv bildet und dieses die Taggelder finanzieren muss, steigt die Taggeldversicherung an, wenn diese bei Krankheit oder im Falle einer Mutterschaft den Lohnersatz der Mutter zahlen muss.

Grosse Betriebe in Liechtenstein haben bei der Taggeldversicherung Wartefristen von 6 und mehr Monaten. Das heisst, dass diese Betriebe den Lohn der sich im Mutterschaftsurlaub befindenden Mutter aus der eigenen Tasche bezahlen. Dies sind momentan landesweit geschätzte ca. CHF 2 Mio.

Finanzierung der Kindertagesstätten (Kitas) und Tagesstrukturen: Die Ausgangslage
Heute subventioniert das Land die Kitas, Mittagstische und Tagesstrukturen mit ca. CHF 2.8 Mio. Jeder Kita-Platz kostet das Land jährlich CHF 15’000.–, jeder Platz in einer Tagesstruktur CHF 9’000.– Die Nachfrage nach Kita-Plätzen übersteigt das derzeitige Angebot. Die Zahl der Kita-Plätze soll erhöht werden, das Land möchte jedoch nicht mehr Geld als heute ausgeben.

Die Familienausgleichskasse (FAK)
Die Familienausgleichskasse (FAK) finanziert sich ausschliesslich aus Arbeitgeberbeiträgen. Die derzeitigen Einnahmen der FAK übersteigen deren Ausgaben (2015: ca. 3 Mio.). Ausserdem hat die FAK Reserven von ca. CHF 155 Mio.

Der V0rschlag der Initianten
Kitas: Neu soll jede Betreuungseinheit (= ein zu 100% ausgelasteter Kita-Platz) mit CHF 20.– aus der Familienausgleichskasse (FAK) subventioniert werden. Im Weiteren sollen 6 Franken für die Tagesstruktur und 2 Franken für den Mittagstisch beigesteuert werden. Mit der momentan angebotenen Zahl an Kita-Plätzen würden somit ca. CHF 1.4-1.5 Mio. dem FAK-Topf entnommen. Mutterschaft: Die Finanzierung der Mutterschaft wird die FAK ca. 6.5 – 7 Mio. kosten, inklusive der ca. CHF 2 Mio. die bisher durch die Betriebe auf deren eigene Kosten entrichtet wurden. Das bedeutet, dass die Ausgaben die Einnahmen deutlich übersteigen werden und dass das Vermögen der FAK rasch abgebaut wird. Am Ende des Tages wird dies eine Anhebung der FAK-Beiträge oder eine Kürzung der FAK-Leistungen bedeuten.

Mängel der Initiative der Wirtschaftskammer

  1. Geburtsfehler AHV-pflichtiger Lohn anstatt Bruttoeinkommen: Der Initiativtext schreibt vor, dass das Taggeld 80% des bis dahin bezogenen AHV-pflichtigen Lohnes einschliesslich regelmässiger Nebenbezüge betrage. Dies bedeutet, dass schwangere Frauen, die vor Beginn des Mutterschaftsurlaubs bereits Taggelder bezogen, z.B. weil sie eine schwierige Schwangerschaft hatten, weniger Taggeld bekommen, weil von der Versicherung bezahlte Taggelder nicht zum AHV-pflichtigen Lohn zählen. Dieses Beispiel zeigt, dass die Initiative nicht durchdacht ist und zu falschen Ergebnissen führt.
  2. Diskriminierung von Inländern: Anspruch auf Unterstützung aus dem FAK-Topf haben nur Eltern, von denen mindestens ein Elternteil bei einem inländischen Arbeitgeber beschäftigt ist. Eine alleinerziehende Liechtensteinerin, die an der Kasse bei der Migros in Buchs arbeitet, erhält keine Unterstützung aus dem FAK-Topf!
  3. Keine Unterstützung von Spielgruppen und Tagesmüttern! Tagesmütter und Spielgruppen werden definitiv kein Geld aus dem FAK-Topf erhalten. Genauso erhalten auch Vereine, die Tagesmütter beschäftigen und vermitteln, keine FAK-Förderung. Dabei sind gerade die Dienste der Tagesmütter besonders wertvoll und belasten das Steuersäckel weit weniger als ein Platz in der Kindertagesstätte. Anstatt die für den Staat günstigen Tagesmütter zu fördern, sollen noch mehr teure Kindertagesstätten finanziert werden. Das ist nicht nur eine Diskriminierung, sondern Blödsinn.
  4. Grossbetriebe sind die Profiteure: Zukünftig werden die Grossbetriebe die Kosten für Mutterschaft über die FAK abrechnen können. Bisher haben sie diese Kosten meist selber getragen. Im Grunde genommen entlasten die Gewerbler mit ihrer Initiative also die Grossbetriebe!
  5. Grossbetriebe werden attraktiver: Grossbetriebe mit betriebseigenen Kitas sind in Zukunft für Arbeitnehmer noch attraktivere Arbeitgeber. Das Nachsehen haben die einheimischen Gewerbebetriebe, für die es noch schwieriger werden wird, qualifiziertes Personal zu finden oder zu halten. Gewerbe- und andere Kleinbetriebe werden nicht in der Lage sein, eigene Kitas zu betreiben. Die LIHK hält sich bei dieser Initiative aus verständlichen Gründen vornehm zurück, denn die Industrie ist der grosse Profiteur!
  6. Zeitpunkt der Inkraftsetzung: Die von den Initianten auf den 1. Januar 2017 geforderte Inkraftsetzung der Gesetzesänderung ist für die Krankenkassen nicht zu stemmen. Diese müssten ca. 4000 Kollektivverträge bis zum 1. Januar 2017 neu aushandeln.
  7. Günstigere Taggeldversicherungen – ein Trugschluss: Die Initianten gehen davon aus, dass durch die Auslagerung der Mutterschaft die Taggeldversicherungen billiger werden. Dies ist ein Trugschluss. Wer die Betriebsrechnung der obligatorischen Taggeldversicherung studiert, erkennt, dass die Taggeldversicherung in den letzten Jahren in der Regel mit einem Defizit abgeschlossen hat. Auch sind die Reserven der Taggeldversicherung zu tief und müssen erhöht werden. Für bestimmte Krankenkassen wird die Auslagerung der Lohnfortzahlung bei Mutterschaft in die FAK deshalb wie gerufen kommen, um die Taggeldversicherung zu sanieren. Keine der Krankenkassen hat sich bisher zur Initiative geäussert und niedrigere Prämien angekündigt. Niedrigere Prämien bei der Taggeldversicherung sind daher eine Fata Morgana!

Was sind die Folgen bei einer Annahme der Initiative?

  1. Export von Steuergeldern: In Zukunft sollen gemäss Absicht des zuständigen Ministers Pedrazzini alle Kitas gleich behandelt werden. Das heisst, dass auch sämtliche Betriebs-Kitas in den Genuss von Steuergeldern kommen werden, unabhängig davon, woher die betreuten Kinder stammen. Die Hilti-Kita bot im Jahr 2015 insgesamt 36 Kita-Plätze an und betreute insgesamt ca. 65 Kinder. Von diesen Kindern stammten jedoch gerade einmal 3 (!) aus Liechtenstein! Mit der geplanten, staatlichen Subventionierung der Kitas werden de facto Steuergelder exportiert. Bei der AHV-Sanierung vertrat der gleiche Minister noch die Meinung, dass der Export von Steuergeldern verhindert werden soll!
  2. Überbordende Ausweitung des Angebots: Die neue Art der Finanzierung wird das Angebot an Kita-Plätzen deutlich erhöhen. Fremdbetreuung wird subventioniert, jene Frauen, die ihre Kinder selber betreuen, werden diskriminiert. Über kurz oder lang wird der Staat auch tiefer in die Taschen greifen müssen, auch wenn Minister Pedrazzini dies vorerst noch bestreitet.

Was kann nach Ansicht der Unabhängigen besser gemacht werden?

  1. Steuergelder nur für inländische Familien! Im Unterschied zur Absicht der Regierung und wenn es nach der DU geht, erhalten Kitas nur staatliche Zuschüsse für Betreuungseinheiten, die im Land wohnhaften Kindern zugute kommen. Liechtenstein soll kein Kita-Paradies für Pendler werden.
  2. Einführung einer einheitlichen Prämie für das Mutterschaftsrisiko innerhalb der Taggeldversicherung. Dies verhindert, dass die Prämie für die Taggeldversicherung ansteigt, wenn Arbeitnehmerinnen schwanger werden. Die FBP/VU-dominierte Politik hätte hier schon längst aktiv werden können. Dies wurde aber von den Regierungsparteien bisher vollkommen verschlafen!
  3. Inländer, die im Ausland arbeiten, dürfen nicht diskriminiert und stärker belastet werden als jene, die einen inländischen Arbeitgeber haben.
  4. Tagesmütter und Spielgruppen müssen besser unterstützt werden, denn auch sie leisten einen wertvollen Beitrag für die Betreuung von Kindern.
  5. Die staatlichen Beiträge an die Familien sollen nicht nach dem Giesskannenprinzip erfolgen, sondern müssen vom Bruttoerwerb der Eltern abhängig sein.

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